Die klassischen Gemischtwarenkataloge:
Von Messier über Herschel zu Dreyers NGC/IC

Der erste einleitende Teil meiner Serie zu Deep-Sky-Katalogen endete mit der Vorstellung von zwei der tatsächlich ältesten Zusammenstellungen von Deep-Sky-Objekten:
Den “bewundernswerten Objekten des Himmels” von Giovanni Batista Hodierna (1654) und der Liste der “Nebelsterne des Südhimmels” von Nicolas-Louis de Lacaille (1755).
Falls Du diese Hin- und Einleitung noch nicht gelesen hast, so möchte ich sie Dir jetzt gerne ans Herz legen.

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Heute geht es nun mit der Vorstellung einzelner Deep-Sky-Kataloge los. Am Anfang stehen die beiden, die man wohl ohne Zweifel als die bekanntesten und wichtigsten bezeichnen darf:

Das wäre zunächst der Messier-Katalog, der heutzutage als der erste Katalog überhaupt gilt. Er ist für Einsteiger auch 250 Jahre nach seiner Entstehung die Referenz schlechthin.
Die Plejaden (M45), die Andromedagalaxie (M31) oder der große Orionnebel (M42) sind nicht nur für viele Himmelsbegeisterte die ersten Deep-Sky-Objekte, die sie kennen, sehen und/oder fotografieren.
Oftmals sind es genau diese Objekte, die einen ersten Kontakt mit dem Messierkatalog, ja mit Astrokatalogen überhaupt herstellen.

Dazu passend folgt als zweiter Katalog im nächsten Beitrag der NGC/IC.
Der “New General Catalogue/Index Catalogue” ist in seiner aktuellen Fassung wesentlich umfangreicher als der Messierkatalog und daher von größerer Bedeutung.
Ausgangspunkt des NGC/IC waren “Herschels Kataloge”, die etwa zeitgleich zum Messier-Katalog entstanden.
Der auch Anfängern wohlbekannte “Nordamerika-Nebel” ist eines der Objekte, dessen Katalog-Bezeichnung “NGC 7000” etwas fortgeschrittenen Amateuren wie von selbst über die Lippen kommt.


Diese beiden sind die ersten “richtigen” modernen Deep-Sky-Kataloge, daher stehen sie an erster Stelle.
Gleichzeitig sind es aber auch die letzten Gemischtwaren-Kataloge, also Verzeichnisse, die sämtliche gängige Arten von Deep-Sky-Objekten umfassen: Offene Sternhaufen und Kugelsternhaufen, Supernova-Überreste, Emissions- und Reflexionsnebel, Galaxien, planetarische Nebel und einige weitere Typen.

Alle weiteren Kataloge und Verzeichnisse, die für uns Astrofotografen interessant erscheinen und in späteren Folgen betrachtet werden, sind Spezialkataloge, die sich jeweils mit einer eignen Gruppe von Deep-Sky-Objekten befassen.
Es gibt Kataloge zu Dunkelnebeln, zu Sternhaufen, zu Reflexionsnebeln…

Und noch ein Unterschied erscheint erwähnenswert:
Messier und Herschel beobachteten den Himmel und die Objekte, die sie beschrieben, noch selber; ihre Kataloge waren echte Handarbeit ohne die Zuhilfenahme der Fotografie.

Folge mir nun zum ersten Katalog, DEM Deep-Sky-Katalog schlechthin.

Viel Spaß mit dem Messier-Katalog!

Von falschen Kometen zu echten Nebeln:

Der Messier-Katalog (M)

Ersteller:Charles Messier
Entstehungszeitraum:1757/58 bis ~1800
Veröffentlichung:1771 (45 Einträge)
1780 (70 Einträge)
1781 (103 Einträge)
Objekttypen:Galaxien, Sternhaufen, diverse Nebelgebiete
Anzahl Einträge:110 (103 bis 110 erst zw. 1921 und 1966 hinzugefügt)

Hintergrund/Entstehung

Charles Messier - zeitgenössische Darstellung

Charles Messier (1730-1817) war ein französischer Astronom, dessen Hauptaugenmerk der Entdeckung von Kometen galt. Mindestens 13 Erstentdeckungen werden ihm zugeschrieben.
“Kometen-Suchen” und -“Finden” war damals beliebt und erscheint im Rückblick fast als ein Trend der damaligen Zeit.
Deep-Sky-Objekte interessierten hingegen in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts praktisch noch niemanden in besonderem Maße.

Stattdessen wetteiferte man um die Entdeckung und Beschreibung der Kometen. Astronomen berichteten stolz, dass sie “den ersten Kometen des Jahres 17XX” erspäht hatten und teilten ihre Entdeckungen in diversen astronomischen Journalen mit.
Für diesen Zweck suchte auch Charles Messier den Nachthimmel ab. Ihm standen dabei zwar unterschiedliche Teleskope zur Verfügung, doch hatten sie alle noch bei weitem nicht die Güte heutiger Instrumente. Daher erschienen ihm nicht nur Kometen, sondern sogar nah beisammen stehende Sterngruppen, teils einfach nur als unscharfe neblige Flecken.

Messier begegneten somit immer wieder Objekte, die Kometen ähnelten, ihre Position zwischen den Sternen jedoch während mehrerer Beobachtungsnächte (und wie sich herausstellte, dauerhaft) beibehielten. Diese Objekte ‘störten’ ihn, da er bei seiner Kometensuche in die Irre geleitet wurde.
Messier legte sich daher eine Liste mit den Positionen dieser “Nicht-Kometen” an, um nicht mehrfach getäuscht zu werden; evtl. schon von Anfang an in der Absicht, diese Liste auch anderen “Kometenjägern” zugänglich zu machen. Seine Entdeckungen nummerierte er einfach durch. Das erste Objekt seiner Liste (wohl aber nicht seine erste Entdeckung) ist der Krebsnebel im Sternbild Stier, das heute die Bezeichnung “M1” trägt.
Er fing an, diese Objekte gezielt zu suchen und nutzte dafür auch bereits vorhandene Kataloge und Listen.

Eine gute Bezeichnung für den Messier-Katalog wäre demnach:

“Liste von nebligen Objekten, welche fälschlicherweise für Kometen gehalten werden können”.

Instrumente

Zu den von Charles Messier genutzten Instrumenten gibt es verschiedene Angaben. Es findet sich sowohl die Aussage “ein 100 mm Refraktor” als auch die Behauptung “achromatisches Teleskop mit 50 mm und einer Länge von über einem Meter” sowie “ein 150-mm Teleskop, dessen Spiegel aus einem Block aus einer Kupfer-Zinn-Legierung geschnitten wurde und der nur ein Fünftel des Lichts reflektierte und dabei sehr schnell oxidierte.”
Quellen:
“100 mm Teleskop”(“Messier did his observing with a 100 mm (four inch) refracting telescope”)
“50 bzw 150 mm” (“Une lunette non-achromatique de seulement 50 mm d’ouverture et de plus d’un metre defocale, ainsi qu’un télescope de 150 mm dont le mirroir éteit teilleé dans undbloc fait d’un alliage de cuivre et d’etain qui s’oxydait très vire et ne réfléchissait quele cinquième de la lumière recue.”)

Wir können also davon ausgehen, dass Messier sowohl Linsenfernrohre als auch Spiegelteleskope nutzte.

Seine Beobachtungen tätigte er von Paris aus, wobei er nicht der alleinige Beobachter war, sondern von seinem Kollegen Pierre Méchain wesentlich unterstützt wurde.

Erste Liste

Seine erste Entdeckung war wohl M32, eine Begleitgalaxie der Andromedagalaxie, im Jahr 1757. 1758 ‘stolperte’ er dann über den Krebsnebel, den er zunächst für einen Kometen hielt. Dieser “Fehler” animierte ihn auch, gezielt nach solchen “Nicht-Kometen” zu suchen und sie inkl. Positionsangaben zu vermerken. Doch bis dahin vergingen einige Jahre.

Erst 1764 verfasste er eine Liste von 40 Objekten.
Zur Erstellung seines Katalogs griff er auch auf verschiedene ältere Quellen zurück, sodass diese ersten 40 Objekte bereits nach einem halben Jahr gelistet waren, jedoch nur 19 echte Neuentdeckungen enthielten.
Im folgenden Jahr 1765 entdeckte er dann M41, woraufhin eine mehrjährige Pause erfolgte, währendderer er sich anderen Interessen, vornehmlich den Kometen, widmete.
Kurz vor der Veröffentlichung 1771 (bis zu der wieder einige Jahre vergingen) fügte er seiner Liste noch die unübersehbaren Objekte M42 (den großen Orionnebel), 43, 44 und 45 (die Plejaden) hinzu. Dies erscheint zunächst sinnlos, da sie in keinem Fall mit Kometen verwechselt werden konnten. Möglicherweise wollte er einfach den Katalog DeLacailles (42 Einträge) übertreffen.

Der Supernova-Überrest M1
Messiers erstes gelistetes Objekt.
Gleichzeitig der klägliche Versuch meinerseits in der dritten Nacht, in der ich jemals ein Teleskop nutze. Mir war nicht klar, wie klein M1 ist und dass mein damaliges 750 mm Teleskop nur “viel Himmel” und “wenig Nebel” fotografieren würde.

Möglicherweise verschafft das Bild aber einen Eindruck, warum Charles Messier von diesem Flecken in die Irre geleitet wurde. Beim Blick durch ein eher schlechtes Teleskop und der Erwartungshaltung, einen Kometen zu finden, mag M1 durchaus an eben jenen ‘kosmischen Wanderer’ erinnern, den Messier zu sehen glaubte.

Zweite Liste

Die nächsten Entdeckungen M46, 47, 48 und 49 erfolgten nur drei Nächte nach der Fertigstellung der ersten Ausgabe. 1780, neun Jahre nach der ersten Liste, erschien dann die zweite Ausgabe, die nun 70 Objekte umfasste, wobei auch hier nicht bei allen Charles Messier der Erstentdecker ist.
Denn zwischenzeitlich hatte sich seine erste Liste in Europa verbreitet und andere Astronomen angespornt, selber solche Objekte zu suchen. (Einer dieser Astronomen wird im Anschluss vorgestellt)

Dritte Liste

Auch nach der zweiten Ausgabe erfolgten unmittelbar neue Entdeckungen: Bis Ende 1781 waren 38 neue Objekte hinzugekommen, wobei nur 5 Objekte von Messier selber stammten.
Alle weiteren 33 fanden entweder sein Freund und Kollege Pierre Méchain, der übrigens auch Entdecker aller Objekte ab M94 war, oder die Entdeckungen gehen auf andere Personen zurück.
Messier überprüfte die Entdeckungen nur noch vor der Aufnahme in seine Liste.
Unter Zeitdruck erschien dann die letzte Liste, die nicht 100, sondern 103 Objekte umfasste im Jahr 1781, wobei die letzten Objekte schon nicht einmal mehr von Messier persönlich überprüft wurden.

Handschriftliche Aufzeichungen und Zeichnungen zeigten einige weitere Objekte, die allerdings nicht mehr zu Messiers Lebzeiten in einer “Neuauflage” berücksichtigt wurden.
Möglicherweise sind hierfür auch ein Unfall mit schweren Verletzungen und die Wirren rund um die französische Revolution (1789 und Folgejahre) als Ursache zu nennen.

Heute umfasst der Messier-Katalog 110 Objekte. Die letzten wurden erst bei Revisionen in den Jahren 1921 und 1966 angefügt.
Beispielsweise M110 (eine der Begleitgalaxien von M31, der Andromedagalaxie), die Messier zwar nicht erwähnt, wohl aber gesehen haben musste, da sie sich auf einer seiner Zeichnungen findet.

Motivation

In einer Veröffentlichung von 1801 äußert sich Messier zu seinem Katalog:
“Was mich veranlasst hat, den Katalog zu erstellen, war der Nebel, den ich am 12. September 1758 über dem Südhorn des Taurus entdeckte [Anm: M1], während ich den Kometen dieses Jahres beobachtete. Dieser Nebel hatte eine solche Ähnlichkeit mit einem Kometen in seiner Form und Helligkeit, sodass ich mich bemühte, andere zu finden, auf dass Astronomen diese Nebel nicht mehr mit Kometen verwechseln würden, die gerade erst auftauchten. Dies war der Zweck, den ich bei der Zusammenstellung des Katalogs hatte.
Seit der Veröffentlichung meines Katalogs habe ich noch andere beobachtet: Ich werde sie zukünftig in der Reihenfolge ihrer Entdeckung veröffentlichen, um sie leichter erkennbar zu machen und um denjenigen, die Kometen suchen, Unsicherheiten zu ersparen.”
[Eigene freie und gekürzte Übersetzung].

Wie wir wissen, verwirklichte Messier diesen Plan nicht mehr. Die Folgen der politischen Veränderungen in Frankreich, Altersbeschwerden und möglicherweise auch nachlassendes Interesse, nachdem Wilhelm Herschel mit weitaus besseren Instrumenten ebenso “Nebel-Listen” anfertigte, verhinderten eine letzte Veröffentlichung.
Erst im 20.Jahrhundert wurde sein Katalog überarbeitet und um die fehlenden, jedoch handschriftlich vermerkten, gezeichneten oder in Briefen an Kollegen beschriebenen Objekte ergänzt.

Messier als Entdecker

Zuletzt sei nochmals darauf hingewiesen, dass längst nicht alle Objekte des Katalogs Erstentdeckungen bzw. Erstbeschreibungen sind und auch nicht alle tatsächlichen neuen Objekte persönlich von Charles Messier gefunden wurden.
Anfangs arbeitete er als Angestellter, später hatte er Assistenten. Der damalige Zeitgeist nannte jedoch wohl grundsätzlich den Auftraggeber als Entdecker, sodass uns heute Messier bekannt, sein sehr erfolgreicher Kollege Pierre Méchain jedoch gänzlich unbekannt ist.
42 der Objekte, also 38% sind tatsächlich Entdeckungen und Erstbeschreibungen von Messier; 25 stammen von Méchain. Der Rest wurde von diversen anderen Beobachtern entdeckt, teils bereits in der Antike.

Messier 33 – Die Dreiecksgalaxie
Keine Neuentdeckung von Messier, sondern bereits von dem
im ersten Teil angesprochenen Hodierna beschrieben.

Objekte des Katalogs

Seiner Entstehungsgeschichte entsprechend, enthält der Messier-Katalog ausschließlich Objekte, die von Zentraleuropa aus gesehen werden können. Auch handelt es sich bei den Objekten mit um die schönsten, größten und hellsten Deep-Sky-Objekte, was schlichtweg der Tatsache geschuldet ist, dass Messier nur ‘schwache’ Instrumente zur Verfügung standen.
Dennoch gibt es Objekte, die er hätte gesehen haben können und müssen, da sie seinen Möglichkeiten und Suchkriterien entsprechen, die allerdings keinen Eingang in seinen Katalog gefunden haben.

So verwundert es beispielsweise auf den ersten Blick, dass die Plejaden als M45 Eingang fanden, obwohl sie nicht mal annähernd mit einem Kometen verwechselt werden können, wohingegen der ähnlich auffällige Doppelsternhaufen aus h und chi Persei keinerlei Berücksichtigung fand. Dies mag u.a. daran liegen, dass dieser Sternhaufen bereits verzeichnet war und M45, der ebenfalls bekannt war, nur zum “Auffüllen” seiner Erstveröffentlichung herangezogen wurde.

Objekttypen

Wenngleich Galaxien mit 40 Exemplaren die größte Objektgruppe darstellen, umfasst der Messier-Katalog praktisch jeden Typ heller Deep-Sky-Objekte (Anzahl in Klammern).
Dies sind Supernovaüberreste (1), planetarische Nebel (4), diffuse Nebel (6), Kugelsternhaufen (29) und offene Sternhaufen (27). Hinzu kommen drei andere Objekte, die keine “echten” Deep-Sky-Objekte sind: M24 ist eine “Sternwolke” (ein Teil der Milchstraße), M40 ist ein Doppelstern und M73 ist einfach eine Gruppe aus vier Sternen, die in keinerlei Beziehung zueinander stehen.

Dem Aufbau des Messier-Katalogs liegt keine weitergehende Klassifizierung der Objekte (etwa nach Form oder Größe) zugrunde; es ist schlichtweg eine Liste, die nach dem Zeitpunkt der Entdeckung sortiert ist.

Messier arbeitete sehr akkurat, sodass sein Katalog kaum Fehler enthält. Seine Objektbeschreibungen und Positionsangaben sind sehr gewissenhaft ausgeführt.
Dennoch gibt es einige Objekte, die als ‘fehlende Objekte’ bekannt wurden und erst im Nachhinein mit großer Sicherheit bestimmt werden konnten. Einzig bei M102 herrscht bis heute eine gewisse Unsicherheit bzw. Uneinigkeit.

Alle Objekte des Messier-Katalogs
KLICK für großes Bild in neuem Tab
eigenständig verändert nach:
Bildquelle: wikimedia – user: Jim Cornmell – CC BY-SA 3.0

Bei der Verteilung der Messier-Objekte über den Himmel fällt auf, dass sich vor allem im Bereich des Schützen viele Sternhaufen zu ballen scheinen und in der Mitte der Grafik die Galaxien.
Messiers Beobachtungs-Horizont verläuft ungefähr bei der grünen Linie. Alles unterhalb war für Messier von seinem Beobachtungsort aus nicht sichtbar.
Messier konnte zwar etwas weiter über den Horizont blicken als wir heute, da die Präzession die Gestirne im Süden rund ein Grad höher aufsteigen ließ, aber dieser Unterschied ist doch zu gering, um größere Auswirkungen auf die Sichtbarkeit zu haben.
Allerdings stand zu Messiers Zeit Polaris etwa 3x so weit vom Himmelspol entfernt wie heute.

Als Fun-Fact und nebenbei:
Hätte Messier im Jahr 0 seine Beobachtungen gemacht, so hätte er einerseits überhaupt keinen Nordstern gehabt, andererseits den kompletten Skorpion sehen können, allerdings etwas früher als heute. Er hätte über 10° mehr Horizontblick gehabt als es heute von Mitteleuropa aus möglich ist.

Messier 7
Ein offener Sternhaufen im Sternbild Skorpion
Das südlichste Messier-Objekt

Beobachtung der Messier-Objekte

Viele der Objekte sind unter günstigen Himmelsbedingungen mit dem bloßen Auge zu erkennen und die meisten bereits in einem kleinen Feldstecher. Unter perfekten Bedingungen ist dies bei allen Objekten, abgesehen von M91 mit einem 10×50 Feldstecher möglich.
Ein Instrument, das ich selber liebend gerne nutze und daher in meinen Artikeln auch immer wieder für “Himmelsspaziergänge” empfehle. Persönlich finde ich den Blick durch einen Feldstecher oftmals beeindruckender und aufgrund der Nutzung beider Augen wesentlich “lebendiger” als bei einem Blick durch ein Teleskop.
Neben diversen offenen Sternhaufen und dem bekannten Orionnebel im Winterhalbjahr mag im Sommer der Lagunennebel M8 ein erstes lohnenswertes Ziel für “Fernglas-Einsteiger” sein, im Herbst natürlich M31, die Andromedagalaxie.

Dies verdeutlicht nochmals die mangelnde Güte von Messiers Teleskopen. Beispielsweise beschrieb er M10 als “schwer sichtbar”, wobei dieser Kugelsternhaufen mit 6,6 mag als durchaus hell einzustufen ist und bereits in einem kleinen 30 mm Feldstecher erkannt werden kann.

Messiers Observatorium in einer Darstellung zu Beginn des 19. Jhrts.
Messiers Observatorium in einer Darstellung zu Beginn des 19. Jhrts.

Man muss hierbei jedoch bedenken, dass Messier seine Beobachtungen aus dem Zentrum von Paris machte, einer Stadt mit damals 800.000 Einwohnern. Wir dürfen daher nicht von einem ungetrübten Himmel ausgehen, wie wir das evtl. für den Zeitraum von 1765 bis 1800 erwarten würden. Unzählige Kohleöfen in Privathäusern und Fabriken verschmutzten die Luft. Darüber hinaus war 1667 die öffentliche Beleuchtung aller Straßen verordnet worden, was zu einer beachtlichen Lichtverschmutzung führte. Auch waren seine Augen, aufgrund der Karten und Instrumente, die er natürlich unter Zuhilfenahme von Licht nutzte, nicht sonderlich gut an die Dunkelheit adaptiert.

“Messier Marathon”

Da Messier all seine Beobachtungen von einem Standort aus machte, ist es möglich, alle von Mitteleuropa aus zu sehen. Darüber hinaus ist es sogar möglich, sie alle in nur einer Nacht zu beobachten. Der Versuch, alle hintereinander abzuarbeiten, wird als Messier Marathon bezeichnet.

Hierzu eignet sich allerdings nur ein kurzes Zeitfenster von wenigen Wochen etwa Ende März, während dem in den frühen Abendstunden noch die Herbstobjekte sichtbar sind und in den frühen Morgenstunden die Sommerobjekte aufgehen. Ähnlich verhält es sich in den letzten Septembertagen. Beide Zeiträume befinden sich etwa rund um die Tag-und-Nachtgleiche.

Bei der Beobachtung wird noch während der astronomischen Dämmerung versucht, das erste Objekt tief am Westhorizont kurz vor seinem Untergang zu erwischen. Über die Nacht hinweg arbeitet man sich dann “nach oben” hoch und beendet die Beobachtung in der Morgendämmerung wieder horizontnah, wenn die letzten Objekte im Osten aufgehen.

Ende März beginnt der Abend, beispielsweise und nur skizzenhaft umrissen, mit Objekten in den Fischen (M74) und geht dann über Perseus und Andromeda zu den Winterobjekten. Von dort über den Krebs und den Löwen in den Virgohaufen und endet im Morgengrauen bei Skorpion, Schütze, Steinbock und Wassermann (M72 und M73). Andromeda geht zu diesem Zeitpunkt bereits wieder auf.
Im Herbst erfolgt das dann sozusagen gegenläufig: Beginnend mit dem untergehenden Skorpion und endend mit den morgends aufgehenden Winterobjekten im großen Hund, Hasen und Achterdeck.

Damit dieser Beobachtungs-Marathon erfolgreich sein kann, ist Erfahrung, gute Planung und eine hervorragende Horizontsicht notwendig. Wer es selber versuchen möchte, sollte alle Objekte zuvor bereits gesehen haben, um sie auch rasch wieder zu erkennen.
Moderne GoTo-Systeme vereinfachen die ganze Sache natürlich, rauben ihr allerdings auch ein wenig den Reiz.

Geeignete Termine wären beispielsweise die Tage um den 13. März 2021 und den 02. April 2022.
Dieses Buch scheint die ideale Vorbereitung zu sein.


Messier 4
Einer der schönsten und größten Kugelsternhaufen.
Genauer beschrieben beim Sternbild Skorpion

Fotografie

Da man alle Messier-Objekte aufgrund der geringen Anzahl problemlos in einem “Astronomen-Leben” beobachten kann, ist es selbstverständlich auch möglich, alle 110 Einträge zu fotografieren.
Dies kann eine nette Herausforderung für Sammler sein.
“Irgendwie” bekommt man dabei alle Objekte auf ein Foto. Aber für eine bildfüllende Abbildung sind doch recht vielfältige Brennweiten notwendig – die einzelnen Messierobjekte sind in ihrer Größe bzw. sichtbaren Ausdehnung am Himmel sehr uneinheitlich:
Die Andromedagalaxie M31 oder der große Orionnebel M42 können nur mit Fotoobjektiven bzw. eher kleinen Teleskopen fotografiert werden; sie sind so groß, dass sie andernfalls nicht mehr ins Bildfeld passen würden.
Andere Objekte, wie einige Galaxien und vor allem planetarische Nebel sind hingegen relativ klein und verlangen große Brennweiten, um Details zu erkennen; beispielsweise M76.
Auch unterscheiden sich die Objekte in ihrer Leuchtkraft: Der große Orionnebel ist bereits auf einem kurzbelichteten Einzelfoto gut zu erkennen, bei anderen muss man viel Zeit investieren.

All das macht den Messier-Katalog, auch wenn er nur 110 Ziele enthält, zu einer fotografischen Herausforderung, die sehr viele Jahre Freude bereiten kann.

Für diesen Artikel habe ich mir mal die Mühe gemacht und alle bisher von mir (teils gut, teils schlecht) fotografierten Objekte zusammenzustellen:

Mein “eigener Messierkatalog”
Wie im Text angemerkt, ist es nicht so extrem schwer, viele Objekte “irgendwie” zu fotografieren; sie allerdings auch gut und detailreich abzubilden, ist eine etwas herausforderndere Aufgabe.
Hier findet sich so ziemlich alles:
Meine Aufnahme von M81 z.B. entstammt noch meiner zweiten Testnacht, in der ich ein Teleskop mein Eigen nennen durfte, M51 dann der dritten Nacht. Ähnlich verhält es sich mit M8, M1 und einigen weiteren.
Wie gesagt: Der Messier-Katalog ist eben auch DER Katalog für Anfänger.


Wer das Ganze “in Groß” sehen will, der kann gerne auf den Link klicken. Dann öffnet sich das Bild in einem neuen Tab. Aber Vorsicht: Es könnte enttäuschend werden; vieles ist nur Pixelmatsch. 😉

PS:
Wer den Messier-Katalog durchgearbeitet hat und eine neue, dennoch überschaubare “Aufgabe” sucht, der kann sich den später angesprochenen “Best-of-Listen” zuwenden:
Die “Herschel.400” listet 400 sehenswerte Objekte und der Cadwell Katalog 109 Ziele.
Es gibt jedoch Überschneidungen zwischen den einzelnen Zusammenstellungen.

Oder man greift zu einem der Spezialkataloge der späteren Folgen dieser Artikelserie: 200 bis 400 Sternhaufen, rund 300 Nebelgebiete oder etwa 150 Reflexionsnebel können ebenso eine spannende Aufgabe sein.

Fazit und heutige Bedeutung

Als scheinbar “erster” Deep-Sky-Katalog hat sich der Messier-Katalog bis heute gehalten. Gleich mehrere Gründe erklären das:

Gewiss hat die Übersichtlichkeit von nur 110 Objekten ihren Anteil und ebenso die Tatsache, dass Messier so genau arbeitete und sein Katalog daher fast fehlerfrei ist.

Die Hauptursache aber, dass Messiers Name und sein Katalog auch nach rund 250 Jahren noch in (sinnvoller) Benutzung ist, liegt mit Sicherheit einfach darin begründet, dass es sich um besonders hervorstechende, meist helle und/oder große Objekte handelt und sie allesamt von Mitteleuropa (und Nordamerika) aus beobachtbar sind.
Die Objekte des Messier-Katalogs sind “die Stars am Nachthimmel” und stellen für viele Anfänger die Einstiegsdroge in die faszinierende Welt der Deep-Sky-Objekte dar.

Zeitgenossen Messiers

Messier war, wenngleich er heute der bekannteste “Nebel-Sammler” ist, nicht der Einzige, der dies in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts versuchte und Listen erstellte:
Messiers Kollege Pierre Méchain, nach Messier der Hauptentdecker der Messierobjekte, wurde ja bereits angesprochen. Ein weiterer Zeitgenosse, William Herschel, wird im folgenden Artikel betrachtet.
Doch es gab weitere Beobachter, die es verdient hätten, erwähnt zu werden. Einen greife ich an dieser Stelle exemplarisch heraus:

Johann Elert Bode
und sein
Katalog bisher beobachteter Nebelsterne und Sternhaufen

Johan Elert Bode
(1747 - 1826)
Johan Elert Bode
(1747 – 1826)

Der 17 Jahre jüngere Bode hatte einen teilweise ähnlichen Werdegang wie Messier. Genau wie der Franzose erhielt er nach ersten Entdeckungen von Kometen eine astronomische Anstellung (an der Sternwarte Berlin, die er später leitete) und genau so begann er, dem Trend folgend und wohl auch angeregt durch Messiers Erstveröffentlichung, die Suche nach nebligen Objekten.

1777 (6 Jahre nach Messiers erstem Katalog) stellte er eine Liste unter der Bezeichnung “Vollständiger Katalog bisher beobachteter Nebelsterne und Sternhaufen” vor.
Es ist eine Zusammenstellung aller ihm bekannter Objekte anderer Entdecker/Beschreiber. Aber auch die seiner eigenen Neuentdeckungen.
Diese sind heute u.a. bekannt als M53, 81, 82 und 92.
Mit 75 Einträgen übertrumpfte er Messiers erste Liste deutlich.
Leider hatte Bode längst nicht alle Objekte selber beobachtet, sodass seine Zusammenstellung eine ganze Reihe Fehler aufwies, die er aus seinen Quellen ungeprüft übernahm.
Trotz der Fehler war seine Liste kurzzeitig die umfassendste Sammlung bekannter Deep-Sky-Objekte.
Bode stellte später noch ergänzte Listen vor, die auch weiterhin sowohl eigene als auch die Beobachtungen anderer Astronomen (und deren Fehler) enthielten.

Ursa major
Bildquelle: Ursa major aus Bodes Uranographia – wikimedia – gemeinfrei

Bode war in verschiedenen astronomischen Gebieten tätig. Er entwickelte astronomische Berechnungsformeln und war in ganz Europa gut vernetzt. Neben dem “Katalog der Nebelsterne” veröffentlichte er ein weit verbreitetes und geachtetes astronomisches Jahrbuch, verfasste den Himmelsatlas “Vorstellung der Gestirne” sowie eine künstlerische Kartensammelung der Sternbilder, genannt “Uranographia”*, dessen Zeichnungen bestimmt jeder schon einmal gesehen hat.

Dennoch ist er heute, zumindest im Vergleich zu Messier, relativ unbekannt. Seine “Vollständige Liste der beobachtbaren Nebelsterne und Sternhaufen” spielt schon lange keine Rolle mehr.
Dies mag vor allem daran liegen, dass sein Katalog wesentlich mehr Fehler enthielt als der Charles Messsiers.

Was neben den Grafiken der Uranographia heute noch an Bode erinnert, ist seine bekannteste eigenständige Entdeckung:
M81, eine der schönsten Galaxien des Messier-Katalogs, die auch den Namen “Bodes Galaxie” trägt.

*Die Uranographia kann hier als Original-Scan beim Deutschen Museum eingesehen werden.

Literatur

Ich habe für meine Artikel niemals eine Listeraturliste erstellt und auch keine Quellenangaben vermerkt.
Dennoch gibt es sie. Es sind unzählige deutsch- und englischsprachige Webseiten, die ich durchforstet habe, immer auf der Suche nach vertrauenswürdigen Angaben. Ein paar sind im Fließtext verlinkt.
Ich schreibe meine Artikel teils aus dem Gedächtnis, aber selbstverständlich auch unter Zuhilfenahme von Literatur.
Aber immer bin ich dabei darauf bedacht, ordentlich und sauber zu arbeiten. Auch wenn ich froh bin, keine sorgfältige Quellenliste erstellen zu müssen (es ist ja keine Studienarbeit), gibt es sie, die ganzen vertrauenswürdigen Quellen.
Einen Link habe ich aber doch im Angebot:

Der erste Messier-Katalog im Original (englische Übersetzung):
https://www.messier.seds.org/xtra/history/m-cat71.html

Ein paar Bücher möchte ich an dieser Stelle auch erwähnen, denn sie bieten dem geneigten Leser noch weitaus mehr Informationen zu Charles Messier und sind teils mit fantastischen Bildern ausgestattet.

Wer die 110 Objekte genauer kennen lernen möchte, ist da sicherlich gut bedient:

Den großformatigen und reich bebilderten
Atlas der Messierobjekte – die Glanzlicher des Deep-Sky
habe ich bereits zusammen mit anderen Büchern vorgestellt.
Leider ist er nur gebraucht erhältlich und das meist zu einem stolzen Preis.
Dennoch mein absoluter Tipp, sicherlich das wertigste Astrobuch, das ich besitze.

Handlicher ist da sicherlich:
Die Messier-Objekte: Die 110 klassischen Ziele für Himmelsbeobachter
oder
Die Messier-Objekte: Das Handbuch für Himmelsbeobachter
das auch in meinem Regal steht und die einzelnen Objekte für Beobachter (aber auch Fotografen) inkl. Aufsuchkarten gut beschreibt.

Wenn Du bis hierher durchgehalten hast, dann war es wahrscheinlich interessant für Dich.
Wenn das so ist, dann möchte ich Dich gerne einladen, den nächsten Meilenstein der Deep-Sky-Kataloge zu erkunden.
Dann geht es


Von Herschels Nebellisten zu Dreyers NGC/IC

Unter dieser Überschrift beginnt der nächste Teil.
Eigentlich sollte er zusammen mit dem Messierkatalog einen gemeinsamen Artikel zu den beiden letzten “Gemischtwarenkatalogen” ergeben.
Aber die Faktenfülle, mein Interesse zu recherchieren und das Gelesene in einem (hoffentlich spannenden) Artikel übersichtlich, gut leserlich, aber dennoch nicht zu flach zusammenzustellen, hat mal wieder gesiegt.
Willst Du also mehr erfahren, so geht es im nächsten Beitrag weiter.

Freundliches Schlusswort

Wie bei jedem meiner Artikel steht auch hier ein “freundliches Schlusswort”.
Diesmal ist es allerdings eher ein vorübergehendes Schluss-zwischen-Wort.
Zumindest hoffe ich das.
Denn ich hatte ungemein viel Freude, Bücher zu wälzen, mich durch verschiedensprachige Webseiten zu arbeiten und aus all dem diesen Artikel zu ‘gießen’.
Und ich hoffe sehr, dass Du eine ähnliche Freude hattest, ihn zu lesen und daher gerne beim nächsten Bericht wieder vorbeischaust.

Der folgende Bericht zum NGC/IC betrachtet immerhin den Katalog, in dem die meisten ‘unserer’ Deep-Sky-Objekte gelistet sind.
Die 110 Messier-Objekte sind fast verschwindend gering gegenüber den rund 7800 des NGC (inkl. IC-1 und 2, dann über 10.000).

Wie es zu diesem Katalog kam, ist erneut eine interessante Geschichte, die Dir nicht nur den Katalog näherbringen wird, sondern erneut einen kleinen Einblick in die Geschichte der Astronomie bietet.

So freue ich mich, wenn Du wieder mit dabei bist.
Genauso freue ich mich auch über einen Kommentar, denn Kommentare sind für einen Blogger nunmal das Salz in der Suppe; oder hier besser passend: “Das Deep-Sky-Objekt in der Weite des Sternenhimmels“.
Besuch mich gerne bei Facebook, bei Instagram oder Youtube.

Und wenn Du magst, dann liest Du Dir noch den folgenden Kasten durch:

Vielleicht hast Du gemerkt, wieviel Zeit, Leidenschaft, Energie und auch Kosten ich in diese Seite stecke, die Dir helfen soll, Dein Foto des Sternenhimmels zu erstellen. Du kannst mich gerne unterstützen. Wie steht hier.
Für den Fall, dass Dir meine ganzen Artikel und Berichte wirklich etwas bedeuten, Du viele Informationen gefunden und nun das Gefühl bekommen hast, dass das alles für Dich einen echten Wert hat, so kannst Du mir tatsächlich etwas spenden.
Alles auf dieser Seite kannst Du umsonst lesen. Ich versuche nicht Dir überteuerte Youtube-“Profikurse” anzudrehen und bombardiere Dich auch nicht mit Werbung. Ich verstecke meine Erfahrung nicht hinter kostenpflichtigen Tutorials, da ich freie Wissensvermittlung schätze und die Faszination für den Sternenhimmel wecken möchte. Leider ist die Bereitschaft einfach so echtes Geld als Dankeschön für kostenlose Information zu spenden in Europa nicht besonders weit verbreitet; in den USA hingegen ist diese Art des “Tippings” relativ normal. Falls Du mir etwas zukommen lassen willst, dann darfst Du gerne auf diesen Button drücken. Wie wenig Du spenden willst, bleibt natürlich Dir überlassen. Allerdings zahle ich eine Gebühr von 35 cent je Spende:

 




1 Gedanke zu „Der Messier-Katalog – Entstehung & Geschichte der Deep-Sky-Kataloge #2“

  1. Wieder sehr interessant und ich habe mir direkt vorgenommen mal einen Messier Marathon zu probieren.

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