Das Kit-Objektiv (ein lichtschwaches 18-55 mm, gefertigt aus billigsten Kunststoff-Komponenten) lag früher jeder Einsteiger-DSLR bei.
Und auch heute ist diese “Scherbe” oftmals Teil von Sets.
Jeder Hersteller hat da sein eigenes und diese wandelten sich über die Jahre (und Jahrzehnte). Aber billigste “Plastikbomber” sind sie bis heute geblieben.
Was mit so einem Objektiv + einer 12 Jahre alten (damals schon günstigen) Einsteiger-Kamera möglich ist?
Das wollte ich herausfinden…
Ich habe die hier verwendete Kamera (die Canon 550D von 2010) mitsamt dem 18-55 Kit-Objektiv gebraucht für zusammen 100.- auf Ebay gekauft.
Ich hatte 2007 eine Canon 450D (also das Vor-Vorgängermodell) und einfach mal Lust auszuprobieren, was ich heute mit so einem alten Ding anstellen kann.
Die gekaufte Kamera war nach 12 Jahren natürlich nicht mehr ‘taufrisch’ – aber voll funktionsfähig.
Sie hatte nur einen kosmetischen Mangel (nicht beim Kauf, aber nachdem ich ihr unsanft das Prinzip der Gravitation erklärt hatte):
Das Deckglas vor dem LiveView-Monitor war gesprungen:
Zuvor noch ein paar Worte zum Objektiv und zur Kamera:
Wirklich ‘schlecht’ waren beide niemals. Und ‘schlecht’ sind sie auch heute nicht – nur nicht mehr zeitgemäß, vor allem in Extremsituationen wie der stockdunklen Nacht.
In normalen Situationen kann man mit beiden weiterhin wunderbar fotografieren und mehr als nur einfach Schnappschüsse machen.
Man kann wunderschöne und einzigartige Bilder komponieren und erschaffen.
Wie immer in der Fotografie gilt: “Nicht die Pfanne kocht das Essen. Ein guter Koch zaubert auch mit der billigsten Pfanne ein traumhaftes Menü.”
Gerade wenn man von (damals) kleinen Kompaktkameras kam oder (heute) bisher nur mit einem Smartphone fotografiert hat, dann war und ist der Umstieg auf eine günstige DSLR/DSLM und das mitgelieferte 18-55 Kit-Objektiv ein gewaltiger Sprung.
Zumindest war es das für mich 2007.
Ich hatte zwar bereits 2001 meine erste und 2004 meine zweite (bessere) Digicam, aber damals steckte das alles noch in den Kinderschuhen. Digitale Spiegelreflexkameras, von Canon und Nikon, wurden erst so langsam bezahlbar. Sony kam übrigens erst viel später, nachdem sie sich andere kleinere Kamerahersteller gekauft hatten. Bis dahin war Sony vor allem für CD-Player und ähnliches bekannt.
Für mich war meine erste DSLR und das 18-55 mm Kit-Objektiv ein großer Sprung nach vorne. Endlich konnte ich völlig frei und selber entscheiden, was die Kamera macht. Ich konnte ganz anders fotografieren…
Der Punkt dieser vielen Sätze ist:
Damals war ein 18-55 Kit und eine Einsteiger-DSLR das einzig Bezahlbare.
Und heute ist genau das (jedoch technisch etwas fortgeschritten) oft noch immer der erste Einstieg.
Und in beiden Fällen gilt: Das war und ist niemals schlecht!
Gerade die Kamera kann auch heute noch einiges leisten (wenn man ihr ein gutes Objektiv spendiert – siehe unten).
Ein lichtschwaches 18-55 mm Kit-Objektiv ist aber bis heute genau das geblieben: Lichtschwach und mit vielen Einschränkungen verbunden.
Canon 550Da?
Du siehst:
Hinter der eigentlichen Kamerabezeichnung steht ein “a“.
Das sagt aus, dass ich die Kamera speziell für die Astrofotografie umgebaut habe.
Ohne jetzt auf Details einzugehen, bedeutet das:
Es wird ein Filter ausgebaut, der normalerweise einen Teil des roten Lichts rausfiltert. Mehr nicht.
Kameras, die so modifiziert wurden, können rote Farben ‘besser sehen’.
Man macht das also aus einem einzigen Grund: Rote Nebel in den Tiefen des Alls sollen kräftiger zu sehen sein.
(Auf alle anderen Farben und somit Teile eines Astrofotos hat das absolut keinen Einfluss. Fotografiert man z.B. die blauen Plejaden-Nebel, so ist es vollkommen egal, ob der Filter ausgebaut wurde oder nicht!
Behalte das im Hinterkopf, denn in meinen beiden Beispielbildern sind rote Nebel nur ein kleiner Teil der Gesamtaufnahme!)
So sah das Ganze vor Ort aus:
Die alte Kamera auf dem Minitrack LX3.
18-55 mm – Mit dem Kit-Objektiv die Milchstraße fotografieren
Milchstraße und Deep-Sky – Astrofotografie mit einem schlechten Objektiv und einer alten Kamera
Wie die Zwischenüberschrift erkennen lässt, habe ich zwei Fotos erstellt:
Eines mit 18 mm bei f/3.5, also ein weitwinkliges Astro-Landschaftsfoto und eines mit 55 mm bei f/5.6. Ein (wenn auch weites) Deep-Sky-Bild im Schützen und somit ungefähr im Zentrum der Milchstraße.
Es war von Anfang an klar, dass Einzelbilder ohne Nachführung/Astrotracker vollkommen sinnlos wären.
Bei dieser Lichtstärke (-schwäche) konnte das nichts werden. Bei 18 mm vielleicht noch so einigermaßen, bei 55 mm keinesfalls. Nicht bei den maximal 6 möglichen Sekunden Belichtungszeit. Längere Zeiten hätten die Sterne unweigerlich zu Strichen werden lassen.
Selbstverständlich kann man auch mit 18 oder 55 mm schöne Einzelbilder erstellen – aber dann müssen das lichtstarke Objektive sein. Beispielsweise ein 20 mm f1.8 oder ein 50 mm f1.4
Ich entschied also:
Das geht bei diesem Equipment nur mit Astrotracker und mit gestackten Bildserien.
Gewählt habe ich den Omegon Minitrack LX3 Astrotracker, der sich hervorragend für solche Brennweiten eignet. Außerdem passt er noch aus einem anderen Grund:
Wer sich eine so günstige Kamera besorgt, der greift auch zu einer bezahlbaren Nachführung. (Bezahlbar heißt nicht billig oder schlecht. Der Minitrack ist eine tolle Nachführung mit ganz eigenen Vorzügen.)
Der Standort
Mein Standort war nicht gerade ideal – aber realistisch für sehr viele Astrofotografen: Nicht jeder kann in den stockdunklen Bergen fotografieren.
Ich hatte, vor allem am südlichen Horizont, mit einer ordentlichen Portion Lichtverschmutzung und Dunst zu kämpfen.
Kamera-Settings und Aufnahmen:
– Das Objektiv nutze ich so offenblendig wie möglich (also f/3.5 im 18 mm Weitwinkel und f/5.6 bei 55 mm)
– Die Kamera wurde auf ISO1600 gestellt (das vernünftige Maximum bei diesem alten Teil)
– Die Einzelbelichtungszeit betrug 120 Sekunden.
– Aufgenommen wurden jeweils 22 Einzelfotos, die dann verrechnet wurden.
So sahen dann die jeweiligen (unbearbeiteten!) Einzelbilder aus:
Erschreckend dunkel für 120 Sekunden Belichtungszeit.
Mit dem Equipment, mit dem ich normalerweise fotografiere, wären die Bilder da schon deutlich überbelichtet.
Was ebenfalls (negativ) auffällt, ist die üble Verzerrung der Sterne (bzw. Planeten; der ‘helle Kerl’ ist der Planet Jupiter).
Ebenfalls sehr negativ (und nicht sichtbar): Mit so einem “Plastikbomber” ist das Fokussieren echt eine Qual! Aber letztendlich geht es dann doch.
Hier noch ein Ausschnitt auf die “Sterne” – Der ‘dicke’ ist Jupiter, der zweithellste ist Saturn.
Bildentwicklung
Natürlich gehört etwas Erfahrung dazu, aus solchen Rohdaten etwas einigermaßen ansehnliches zu erschaffen.
Wenn Du (noch) absolut keine Ahnung hast, dann würde Dir eine genaue Erklärung völlig unverständlich vorkommen.
Darum vorweg:
Man kann Bildserien fotografieren, diese Serien (immer gleicher Fotos) miteinander verrechnen, um damit das Rauschen zu reduzieren. Später kann man diese Bilder dann entwickeln, ohne dass sie unendlich stark rauschen.
Dieser “Astro-Entwicklungsprozess” erfolgt immer nach einem festen Schema:
– Erst werden die Einzelbilder verrechnet (Stapeln oder Stacken).
– Dann wird wirklich entwickelt (z.B. Farben und Kontraste).
(Genauer steht einiges in der FAQ-Sektion – Weitere Infos findest Du auch noch im Artikel: Deep-Sky-Fotografie ohne Teleskop)
–> Ich habe hier für das Weitwinkelbild ganz einfach und klassisch mit Sequator gearbeitet (hier eine 45-Minuten Videoanleitung, Schritt für Schritt).
–> Das Deep-Sky-Bild habe ich hingegen mit PixInsight gestackt und entwickelt.
–> In beiden Fällen folgte danach ein Finish in Photoshop.
Das sind nun die Ergebnisse:
Tja – Was soll ich sagen?
Du siehst es ja selber!
Wurde Deine Erwartung erfüllt? Oder übertroffen?
Oder ist das noch schlimmer als Du dachtest?
Persönlich geht es mir so:
Das Weitwinkelbild der Milchstraße ist schlechter als erhofft, das Deep-Sky-Bild im Schützen besser.
Fazit
Das Fazit kann aus zwei Sätzen bestehen:
1. Ja – Es funktioniert!
2. Mit anderem Equipment ist viel mehr möglich!
(3. Die Astromodifikation ist ‘ne nette Sache, aber für die gewählten Motive eher nebensächlich)
Aber kann man nach diesen Ergebnissen folgende Aussage treffen?
“Das Kit-Objektiv 18-55 mm eignet sich für die Astrofotografie!”
–> Äh.. naja. Sehr eingeschränkt.
Wie Du gesehen hast, ist doch ein wenig (technischer) Aufwand nötig, um viel herauszuholen.
Aber hat man etwas Erfahrung, so kann man auch mit diesen (heutzutage) unglaublich billigen Komponenten Bilder erstellen, die den Zauber der Nacht zeigen.
Bilder, die durchaus beeindrucken. Bilder, die schön sind! Bilder, mit denen man sich nicht verstecken muss!
(Und natürlich ist auch noch viel mehr möglich. Man muss nur sehr viel mehr Belichtungszeit investieren!)
Was können wir noch daraus mitnehmen?
Vor allem wohl, dass es nicht bzw. nur zweitrangig auf die Technik ankommt. Und auch, dass man nicht unbedingt extrem viel Geld ausgeben muss.
Wie gesagt: “Der Koch zaubert das Menü, nicht die Pfanne!”
Es gibt (leider viel zu viele) Menschen, die kaum Geld für so ein schönes Hobby ausgeben können. Für manche mögen sogar 100.- oder 150.- Euro (für Gebrauchtgeräte: Kamera + Objektiv + Stativ) viel sein. Aber doch eine Summe, die man sich irgendwie zusammensparen kann. Egal ob als Student, als Taschengeldempfänger oder als Bezieher von ALG-II.
Geldmangel muss Dich nicht von diesem schönen Hobby ausschließen!
(Allenfalls musst Du härter kämpfen, um aus den Rohdaten ein schönes Bild zu erstellen. Aber das ist – siehe oben – machbar.)
Das wichtigste, was man braucht, ist Motivation, Leidenschaft und Willen.
Und vor allem die Freude, nachts die Weiten unseres Sternenhimmels zu erkunden.
Und den gibt es immer umsonst!
Vergleich mit einem modernen Objektiv
Oben habe ich behauptet:
“Mit dem Equipment, mit dem ich normalerweise fotografiere, wären die Bilder nach 120 Sekunden schon deutlich überbelichtet.”
Ich habe am gleichen Standort und auch mit derselben Kamera mal ein anderes Objektiv genutzt.
Hier siehst Du ein Einzelbild mit “nur” 30 Sekunden Belichtungszeit. Also gerade mal 1/4.
Es ist, auch im direkten Vergleich, genauso hell.
Dabei kommt die Milchstraße deutlich schöner heraus und auch die Sterne werden wesentlich besser abgebildet.
(Was Du nicht sehen kannst: Das Fokussieren ist ungefähr 1000x einfacher!)
Vor vielen Jahren, als ich den Anfänger-Kurs verfasst habe, habe ich auch folgenden Satz geschrieben:
“Ein gutes Objektiv kann auch eine alte Kamera deutlich aufwerten. Ein schlechtes Objektiv hingegen macht auch die beste Kamera zunichte.”
Wenn Du Dir nun zuletzt nochmal diese beiden Rohbilder (und die Bildausschnitte) anschaust, die beide am selben Ort mit derselben (steinalten) Crop-Kamera aufgenommen wurden, dann bekommt diese Aussage nochmals mehr Leben – zumal hier 120 vs. 30 Sekunden gegenüber stehen!
Die Aussage, “auch eine steinalte Kamera kann mit einem guten Objektiv viel leisten”, gilt selbstverständlich auch mit Tele-Objektiven oder Teleskopen!
Gerade wenn man Deep-Sky-Fotografie betreibt, muss es wirklich keinesfalls (!) eine super-moderne Kamera sein.
Alte Canons sind sogar mit am weitesten verbreitet und mehr oder weniger der Standard in der “Teleskop-Fotografie”. Zumindest solange es keine semi-professionelle Astrokamera ist (Canon 550D, Canon 600D, Canon 650D, um ein paar weit verbreitete Modelle zu nennen).
(Und ja: Canon!
Alte Nikon-Kameras haben oftmals ein Problem mit der Fernauslösung über einen Computer. Und Sony? Reden wir nicht darüber! Deren Einbindung in Astroprogramme ist mehr als mangelhaft. Verantwortlich ist dafür ganz alleine Sony. Die Entwickler von Astroprogrammen würden ja wollen…
Der zweite “Canon-Grund” ist die Astromodifikation: Kaum eine andere Kamera lässt sich so easy auf ‘Astro’ umbauen.
Es werden selten auch Nikons und noch viel seltener Sonys genutzt. Die Ergebnisse sind genauso gut wie die mit Canons. Alle Hersteller bauten und bauen prima Kameras.
Aber Canon hat bei der Teleskop-Fotografie mit DSLRs wohl 90% Marktanteil – aus den eben genannten Gründen.)
Nach diesem kurzen Ausflug in die Tiefen der Deep-Sky-Teleskop-Fotografie, fehlt nur noch eine Sache. Etwas, mit dem jeder meiner Berichte endet:
Freundliches Schlusswort
Liebe Leserin, lieber Leser, Freunde der Nacht!
Ich hoffe sehr, dass das informativ war – oder zumindest einfach unterhaltsam.
Ich denke, dass man vor allem mitnehmen kann, dass ein gutes Objektiv fast* die Hauptrolle spielt. Abbildungsleistung und Lichtstärke sind die wichtigen Faktoren.
*Fast?
Ja – denn die wirkliche Hauptrollen haben zwei andere:
Der Nachthimmel, der seine Schönheit offenbart. Und Du: Der Mensch, der seinen Blick gen Himmel richtet und diese Schönheit in der Tiefe der Nacht zu erkennen weiß.
Ein Nachthimmel, der immer mehr zu einem Freund wird, je besser man ihn kennt. Der Sternenhimmel, an dem man im Herbst Orion begrüßt und nach einem langen Winter den Skorpion. Ganz so wie Freunde, die einige Monate verschwunden waren.
Ein Himmel, der einem immer vertrauter wird und doch niemals etwas von seiner Faszination und Schönheit einbüßt.
Eigentlich müsste ich Dir jetzt zurufen: “Los! Raus mit Dir! Der Himmel wartet!”
Aber vielleicht ist ja gerade Tag oder Dein Himmel wolkenverhangen? Ist das so, dann möchte ich Dich gerne einladen, hier noch weiter auf meiner Website zu stöbern:
–> Die Sitemap ist dafür immer ein guter Startpunkt. Dort findest Du beinahe alle Artikel mit Bild + drei knappe Sätze, die das jeweilige Thema vorstellen.
–> Evtl. interessieren Dich aber jetzt auch Objektive? Ich hab’ einige genauer vorgestellt und sie verglichen. (Z.B. 20 mm, aber auch kleine Teleskope.)
–> Oder willst Du einfach nur noch zur Entspannung ein paar Bilder ansehen? Oben im Menü findest Du eine Bildergalerie.
–> Falls Dich als Anfänger die Idee reizt, ein wenig tiefer ins All zu fotografieren, dann ist evtl. der Artikel Deep-Sky-Fotografie ohne Teleskop etwas für Dich – denn auch mit ‘normaler Fotoausrüstung’ ist sehr viel möglich!
–> Zuletzt möchte ich Dich dann auch noch einladen, mich bei Facebook, Instagram oder YouTube besuchen zu kommen. Auch wenn die Website hier “mein liebstes Baby” ist, finden sich dort weitere und teils andere Themen. Beispielsweise schöne Zeitraffer.
So.
Dann bleibt mir nur noch, Dir Danke zu sagen!
Ich hoffe, Du hattest Freude.
Wenn Du mir auch Danke sagen willst, so schreib’ mir doch einen Kommentar. Kommentare sind für Blogger das Salz in der Suppe – oder für mich: Der funkelnde Sternhaufen im Dunkel der Nacht.
Alles Gute! 🙂