Nachdem in der letzten Folge mit dem Messier-Katalog DER Deep-Sky-Katalog schlechthin betrachtet wurde, zumindest in den Augen der meisten Anfänger, wenden wir uns hier nun dem zweiten wichtigen, tatsächlich wohl dem relevantesten aller Deep-Sky-Kataloge zu.
“Dem zweiten” und gleichzeitig auch “dem letzten” der Gemischtwarenkataloge, die alle Arten von Deep-Sky-Objekten umfassen.
Und damit auch dem zweiten berühmten und letzten der klassisch visuell erstellten Kataloge.
Mit diesem Bericht endet somit auch eine Ära im Übergang vom 19. zum 20. Jahrhundert.
Nach dem NGC folgten nur noch Spezialkataloge und der Einzug der Fotografie veränderte die Sicht auf Deep-Sky-Objekte enorm.
Doch noch ist es nicht soweit und wir starten im 18. Jahrhundert, zur Zeit Charles Messiers.
Willkommen bei “Ordnung im Objektgewimmel – Teil 3”!
Übrigens:
Wenn Du es chronologisch magst und den ganzen Weg verfolgen möchtest, der uns zur heutigen Deep-Sky-Faszination geführt hat, so empfehle ich Dir, die Artikel geordnet zu lesen und mit dem ersten zu beginnen.
Aber Vorsicht: Das ist eher ein Buch; auch wenn Du hier im Internet liest. Bring also Interesse und Zeit mit:
Ordnung im Objektgewimmel – Astronomische Kataloge und ihre Entstehung:
Teil #1 – Die Anfänge
Teil #2 – Von falschen Kometen zu echten Nebeln – Der Messier-Katalog
Von Herschels Nebellisten zu Dreyers NGC/IC
Der heute gebräuchliche New General Catalogue/Index Catalogue blickt auf eine lange Geschichte zurück. Er ist nicht völlig neu erschaffen worden, sondern mit das Resultat all dessen, was zuvor erarbeitet worden war.
Natürlich ist er daher auch nicht wirklich “der zweite” Deep-Sky-Katalog; zahlreiche Astronomen erstellten mehr oder weniger umfangreiche Auflistungen, Kataloge und Verzeichnisse.
Beinahe alle nutzte Johan Dreyer als Quelle für die Erstellung eines neuen vollständigen Gesamt- oder Generalkatalogs, der alle bekannten Deep-Sky-Objekte umfassen sollte: The New General Catalogue, kurz NGC.
Ein neuer Generalkatalog bedeutet dabei auch: Es gab bereits zuvor einen (dann eben nicht mehr neuen) Generalkatalog: Den GC. Auch den werden wir betrachten.
Heute sind die meisten der (auch hier ungenannten) Astronomen weitgehend vergessen bzw. nur wenigen Interessierten bekannt. Sie haben allenfalls geschichtliche Relevanz oder werden in einer Randnotiz als Entdecker der jeweiligen Deep-Sky-Objekte erwähnt. Keine der von ihnen erstellten Listen ist noch in Gebrauch.
All ihr Schaffen ging im NGC auf.
Und so ist im allgemeinen Verständnis der meisten Amateur-Astronomen der NGC dann doch “der zweite” nach dem Messier-Katalog.
Bis heute ist der NGC (auch dank der schieren Menge von deutlich über 7000 Einträgen, inkl. IC-I und -II rund 14.000) nicht 100% fehlerfrei und wird immer noch verbessert. Er ist dabei der umfassendste “Gemischtwaren-Katalog”. Ein großer Teil der von Amateur-Amateuren visuell beobachtbaren Objekte sind in ihm gelistet.
Und auch für professionelle Astronomen haben die Nummern des NGC bis heute eine gewisse Bedeutung behalten.
Die Zusammenstellung des NGC von Johan Dreyer hat ihren Ursprung dabei vor allem in den umfangreichen Nebel-Listen William Herschels, welche zeitlich direkt dem Messier-Katalog folgten und von seinem Sohn John Herschel weitergeführt wurden. Die “Herschel-Listen” sind die Hauptquelle des NGC.
Mit diesen drei Personen, ihrem Wirken als Astronomen, als Entdecker von Deep-Sky-Objekten und Ersteller von Deep-Sky-Katalogen (damals eher “Nebel-Listen”) befasst sich dieser Artikel, der letztendlich zum NGC/IC führen wird.
Daher gliedert er sich in die zwei Teile: A und B, mit jeweils zwei Abschnitten.
Übrigens:
Ursprünglich sollte das nur ein knapper Bericht zur Entstehung des NGC werden. Doch je mehr ich las und mich in die Materie einarbeitete, desto umfangreicher wurde er. Ich habe unzählige Stunden investiert, Berichte, Studien und Primärquellen gelesen und den Bericht dabei mehrere Dutzend Mal umstrukturiert. Ich habe ihn immer wieder ergänzt und dann doch wieder eingekürzt.
Letztendlich bin ich aber zu dem Schluss gelangt, dass weitere Verkürzungen falsch wären. Auch wenn es heutzutage eher um Verkürzung geht, kann ich all die Informationen nicht noch weiter straffen.
Die Folge ist, dass der Artikel nun als ein “Double” daherkommt, aber sinngemäß doch ein einziger Bericht, mit einem gemeinsamen Inhaltsverzeichnis bleibt.
Drei Teile und drei Personen – der Weg zum NGC:
Abschnitt a):
1. William Herschel
2. John Herschel
Abschnitt b):
3. Johan Dreyer
4. Revisionen und Weiterentwicklungen bis heute.
Zeitlich umfasst unsere Reise durch die Welt der Deep-Sky-Kataloge zum NGC dann folgende Stationen:
- – Vor Messier: Sternen-Kataloge und erste Deep-Sky-Auflistungen (Artikel #1)
- – Messiers Listen: 1771 bis 1781 (Artikel #2)
- – W. Herschels Nebel-Listen: 1786 bis 1802
- – J. Herschels Kataloge: 1833 bis 1864
- – NGC: 1888
- – IC I und II: 1895 bis 1908
Insgesamt also ein Zeitraum von knapp 150 Jahren, der von Messiers erster Liste hin zum zweiten Index-Anhang des NGC führt.
Starten wir nach dem Inhaltsverzeichnis direkt mit dem ersten: William Herschel und seinem Katalog der Nebel und Sternhaufen
1. William Herschels
Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars
Überblick
Herschels Teleskope
Motivation – Von Doppelsternen zu Nebeln
Erste Liste
Zweite Liste
Dritte Liste
Herschel als Entdecker
2. John Herschels General Catalogue of Nebulae and Clusters
Überblick
Wirken in England und der Slough Katalog (SC)
Wirken in Südafrika und der Cape Katalog (CC)
Der finale General Katalog (GC)
3. NGC – New General Cataloge of Nebulae and Clusters of Stars
Dreyer als „ordnende Hand“
IC – Index Katalog
Objekte des NGC
4. Revisionen, Ergänzungen, Verbesserungen des NGC
William Herschels
Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars (CN)
Ersteller: | William (Wilhelm) & Caroline Herschel |
Entstehungszeitraum: | 1782/83 bis 1802 |
Veröffentlichung: | 1786 (1000 Einträge) 1789 (1000 Einträge) 1802 (500 Einträge) |
Objekttypen: | Überwiegend (2112 Stck.) Galaxien, aber auch Sternhaufen und Nebelgebiete |
Anzahl Einträge: | 2500 |
Herschels Lebensgeschichte, sein Weg vom Hobbyastronom und -forscher, über den wohl besten Teleskopbauer seiner Zeit, hin zum erfolgreichsten Entdecker neuer “Nebulae” ist viel zu umfangreich, um sie hier umfassend wiederzugeben. Aber gleichzeitig auch zu interessant, um sie in drei Sätzen abzuhandeln.
Stattdessen versuche ich einen Mittelweg:
Ich werde seinen Lebenslauf und einzelne Schritte seiner Entdeckungen in drei Unterpunkten, gegliedert nach seinen drei “Nebel-Listen” grob umreißen und ein paar weitere Punkte gesondert herausgreifen.
Somit erhältst Du einen ausreichenden Überblick und kannst bei weiterem Interesse noch viel (also sehr viel) mehr in Büchern lesen.
Überblick
Friedrich Wilhelm Herschel (1738 bis 1822) war ein Zeitgenosse Charles Messiers. Nur 8 Jahre Altersunterschied trennten die beiden.
Der ursprünglich aus Deutschland stammende Astronom arbeitete jedoch in Großbritannien, wo er seit seinem 18. Lebensjahr lebte. 1793 nahm er die britische Staatsbürgerschaft an und änderte seinen Namen in William.
Anfangs hauptberuflich als Komponist und Musiker bzw. Direktor eines Orchesters tätig, wurde er “über Nacht” berühmt, da ihm als Hobbyastronom mit (für damalige Verhältnisse) hervorragenden selbstgebauten Teleskopen die Entdeckung des Planeten Uranus gelang. (Dessen Name ‘Uranus’ stammt übrigens von dem im letzten Artikel erwähntem Johann Bode. Dem Johann Bode, dem M81 ihren Namen ‘Bodes Galaxie’ verdankt.)
Dies war die erste Planetenentdeckung überhaupt, nachdem seit Menschengedenken nur die 5 sonnennächsten Planeten bekannt waren. Das führte dazu, dass sich die bekannte Größe des Sonnensystems schlagartig mehr als verdoppelte.
Daraus resultierender Ruhm und eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit ermöglichten es Herschel, sich ganz der Astronomie zuzuwenden, was ihn letztendlich auch zur (Mit-)Begründung der Royal Astronomical Society veranlasste, deren erster Präsident er wurde.
Sein Hauptaugenmerk galt dabei über einen längeren Zeitraum der Erkundung von Doppelsternen. Das, was wir heute Deep-Sky-Objekte nennen, erweckte sein Interesse erst nach vielen Jahren.
Dann jedoch mit einer Intensität, die ihn zum wohl erfolgreichsten Entdecker dieser damals noch “neuen” Himmelsobjekte machte.
Herschels Teleskope
Herschels Werdegang kann nur nachvollzogen werden, wenn man seine Teleskope betrachtet.
Diese Instrumente unterschieden sich deutlich von jenen, die Charles Messier in Paris nutzte. Nur aufgrund ihrer damals unerreichten/unübertroffenen Güte waren Herschels Entdeckungen überhaupt möglich.
Während der Franzose überwiegend mit ‘kleinen’, eher schwachen (wenig Öffnung, geringe Vergrößerung) Teleskopen arbeiten musste, konnte sich Herschel vergleichsweise ‘lichtstarke’ und extrem ‘lange’ Optiken bauen. Vor allem aber Geräte, die scharf und klar abbildeten.
Damit waren ganz andere Vergrößerungen und eine merklich bessere Detailauflösung möglich.
Tatsächlich wurde Herschel im Laufe der Zeit zu einem hervorragenden und gefragten Teleskopbauer, der Auftragsarbeiten u.a. für verschiedene Könighäuser und wohlhabende Privatpersonen ausführte.
Nach der Entdeckung des Planeten Uranus erhielt er eine offizielle Anstellung am Hause von King George des III., dem König von England, die faktisch kaum eine Verpflichtung mit sich brachte, aber mit einer lebenslangen Rente von 200 Pfund/Jahr einherging. Diese fast “aufgabenlose Festanstellung”, praktisch ein “bedingungsloses Grundeinkommen” sollte ihn unabhängig vom Broterwerb zur Existenzsicherung machen, auf dass er sich ganz der Astronomie zuwenden könne.
Faktisch führte es jedoch dazu, dass sich sein Einkommen verringerte, nachdem er seinen Beruf im Orchester aufgab. Das machte den Bau von Teleskopen anfänglich mehr zu einer Notwendigkeit denn zu einem Hobby.
Herschel entwickelte sich so autodidaktisch zu einem wahren Meister der Teleskopbaukunst, was die Nachfrage nach seinen Geräten so weit anhob, dass er zeitweise ausschließlich damit beschäftigt war.
Die Preise für ein Teleskop lagen dabei zwischen 200 Pfund (was seinem Jahresverdienst am Königshaus entsprach) und beim teuersten Instrument bei 3150 Pfund.
Die von Herschel entwickelten Techniken und Gerätschaften zum Teleskopbau, seine Herangehensweise, seine Erfolge und Rückschläge wären eine eigene Geschichte wert. Die muss an dieser Stelle aus Platzgründen unterbleiben.
Herschels Hauptinstrument und das, mit dem er fast alle Entdeckungen machte, war ein “20 foot” Spiegelteleskop. Der Bau eines “40 foot”-Geräts war zwar im Prinzip erfolgreich, aber die optische Güte und vor allem die ungemein komplexe Nutzung sorgten dafür, dass es kaum zum Einsatz kam, jedoch viele staunende Besucher anzog.
*1 foot = ~300 mm. Das “20 foot” Teleskop hatte also eine Länge/Brennweite von 6,1 Metern und eine Öffnung von ~ 475 mm (475/6100 bei f12.8)
Das Bild (CC-BY wikimedia) zeigt das kleinere “20 foot”. Warum das “40 foot” unhandlich war, wird da sicherlich sofort klar: 122 cm Spiegeldurchmesser mit 12 m Brennweite lassen sich auf der damals üblichen “Gestell-Montierung” nicht “einfach mal so” verstellen.
Motivation – Von Doppelsternen zu Nebeln
- Herschels (privates) Interesse an Astronomie begann wohl ungefähr 1773, im Alter von 35 Jahren. Er fand die Zeit, sich neben seiner Tätigkeit als Musiker, sowohl astronomisch zu bilden als auch den Himmel zu betrachten.
Sein Interesse galt dabei Sternen, genauer Doppelsternsystemen.
Fast unverzüglich begann er mit dem Bau eigener Teleskope, was damals absolut üblich war. 1776 hatte er ein 7 foot-Spiegelteleskop fertig gestellt.
- Die zufällige Entdeckung des Planeten Uranus im März 1781 katapultierte ihn (5 Jahre nach der Fertigstellung seines 7-foot) vom ambitionierten Hobby-Astronom in die höchste Liga der Himmelsbeobachter. Innerhalb desselben Jahres erlangte er weltweite Bekanntheit, wurde in die höchsten Kreise eingeführt und letztendlich mit dem König von England bekannt gemacht.
- Sein Interesse für Nebelsterne und Sternhaufen wurde jedoch erst später geweckt. Die ersten 9 Jahre von 1773 bis 1782 war er ausschließlich mit der Katalogisierung von Sternen, vornehmlich Doppelsternsystemen, beschäftigt.
Das Beobachten, vor allem aber das Katalogisieren von Sternen oder Sternsystemen war damals, neben der Jagd nach Kometen, fast das einzige, was Astronomen machen konnten, und scheinbar keinesfalls langweilig.
Das diente, wie in den ersten Artikeln dieser Serie angemerkt, dem Zweck, “Ordnung ins Sternengewimmel” zu bringen und daraus Erkenntnisse über die “wahre Natur”, also die Beschaffenheit des Alls abzuleiten.
- Erst durch weitere Veröffentlichungen/Ergänzungen der Listen Charles Messiers und einiger Zufallsentdeckungen seiner Schwester Caroline (geborene Carolina Lucretia Herschel) angespornt und mit deutlich besseren selbstgebauten Instrumenten ausgestattet, machte sich Herschel 1882 daran, einige der neuen “Nebulae” zu betrachten, die allmählich immer stärker das Interesse der zeitgenössischen Astronomen weckten.
Herschel gelang es, im Gegensatz zu Messier, einige der Nebel in Einzelsterne aufzulösen, was ihn vorübergehend veranlasste, davon auszugehen, dass dies bei allen Nebeln der Fall wäre und sämtliche Nebelflecken in Wahrheit Sternhaufen seien. (Dies stellte sich als Irrtum heraus.)
Herschels Theorie nach waren all diese Sternhaufen durch Gravitation entstanden, unter der sich Sterne zu Haufen verbanden. (Ebenfalls eine Fehlannahme. Das genaue Gegenteil ist der Fall.)
Die Idee der gravitativen Entstehung von Sternhaufen setzte jedoch dem Glauben an einen unveränderlichen, ewigen Himmel ein Ende und führte stattdessen eine Art “Evolution des Sternenhimmels” ein.
Eine damals recht neuartige Auffassung und somit auch ein wichtiger Beitrag zur Kosmologie: Der Himmel war nicht mehr statisch und unveränderlich (“Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde…”), sondern einem Wandel unterworfen. Ein natürlicher Wandel, der gewissen Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgte, die mit wissenschaftlichen Methoden verstanden werden könnten.
(Übrigens war 1882 das “Startjahr” Herschels, gleichzeitig das Todesjahr Charles Darwins. William Herschels Sohn John wurde später in ein gemeinsames Grab mit Darwin und gebettet. Direkt neben Isaac Newton.)
- Die beiden Annahmen (dass es noch viele unbekannte Objekte gab und dass diese Nebel in Einzelsterne aufzulösen seien) weckten wohl seinen Ehrgeiz oder Jagdeifer. Ihm wurde bewusst, dass die bis dahin etwas über 130 bekannten Objekte längst nicht alle sein konnten, die der Himmel noch bereithielt und die nur darauf warteten, (von ihm!) entdeckt zu werden.
- Die oben angesprochene Idee der “Evolution des Sternenhimmels” gedachte er vor allem durch den Vergleich möglichst vieler Objekte besser begreifen zu können. Seine Herangehensweise war vor allem durch persönliche Vermutungen geprägt, die er im Laufe der Jahre mehrfach änderte. Es schien ihm sinnig, unzählige Objekte zu vergleichen und somit bestimmte Schemata oder Regeln abzuleiten.
Das mag mit eine Motivation für seinen Fleiß gewesen sein.
Erste Liste
“Catalogue of one thousend new nebulae and clusters of stars” (1786)
Neun Jahre waren vergangen, seitdem Herschel angefangen hatte, den Himmel abzusuchen. Er hatte über 700 Doppelsterne katalogisiert, nebenbei Uranus gefunden, aber offenbar keinerlei Notiz von den “nebligen Objekten” genommen. Möglicherweise war er so sehr auf die Suche nach Doppelsternen fokussiert, dass ihm die in seinen hervorragenden Instrumenten eigentlich unübersehbaren Nebel und Sternhaufen entgingen.
Erst im August 1782, im Alter von 44 Jahren, begann er, die Objekte des Messier-Katalogs, der sich, in der dritten Version mit 103 Objekten, nun bereits ein 3/4 Jahr in seinem Besitz befand, zu betrachten:
Im Laufe des Jahres 1882 hatte er rund 50 der Einträge gesehen und festgestellt, dass viele der von Messier als “sternloser Nebel” beschriebenen Objekte mit seinen Teleskopen sehr wohl in Einzelsterne aufzulösen waren.
Da er dabei, wie erwähnt, zu der fehlerhaften Annahme gelangte, dass alle Nebel nur Sternhaufen seien, die, ausreichend leistungsstarke Teleskope vorausgesetzt, aufzulösen wären, machte er sich daran, dies zu ergründen.
Das war wohl mit der Grund, den Bau eines “20 foot” Teleskops anzugehen. Hinzu kam, dass seine Schwester Caroline selber einige Objekte sah, auch solche, die in keiner der Herschel zugänglichen Listen, also auch nicht in Messiers Katalog verzeichnet waren.
Gezielte Nebelsuche
Ab Oktober 1783, direkt nach der Fertigstellung seines “20 foot”, fing er an, gezielt nach diesen Nebeln (die er alle gedachte in Einzelsterne aufzulösen) zu suchen.
Er entwickelte dabei ein System (die “sweeps”), mit dem er den Himmel systematisch Feld für Feld absuchte. Nach einigen Anfangsschwierigkeiten hatte er damit großen Erfolg: Bis zum Februar 1784, also innerhalb von nur 4 Monaten, hatte er 103 neue Nebel entdeckt und damit die Summe erreicht, die der Katalog von Charles Messier aufwies. Messier hatte jedoch 23 Jahre benötigt und längst nicht alle Objekte selbst gefunden.
Bereits einen Monat später war die Zahl Herschels Entdeckungen auf 239 angewachsen.
Diesen Erfolg verdankte er einerseits der systematischen Durchmusterung gewählter Himmelsareale und seinen hervorragenden Teleskopen. Andererseits der tatkräftigen Unterstützung seiner Schwester Caroline:
Um seine Augen nicht mit Kerzenlicht zu blenden, wenn er eine neue Entdeckung gemacht hatte, übernahm seine Schwester die Aufgabe seiner Assistentin. Während Herschel (mit seinen an die Dunkelheit adaptierten Augen) am Teleskop blieb, rief er ihr die die Position und Beschreibung jeder Entdeckung zu, die sie sodann schriftlich vermerkte.
Von nun an verbrachten die Geschwister Herschel beinahe jede geeignete Nacht mit der systematischen Suche nach neuen Objekten. Und in beinahe jeder entdeckten sie mehrere, teils dutzende.
Im April 1785, nach gerade einmal 1,5 Jahren, hatte die Suche 1000 neue Nebel und Sternhaufen erbracht!
Veröffentlichung der ersten Liste
Während die Suche weiterging, dauerte die Arbeit, die zur ersten Veröffentlichung führte, beinahe ein Jahr.
Es entstand nicht nur eine einfache Liste, sondern ein bemerkenswertes Werk, das auch auf die genutzten Teleskope und die Technik der Himmelsdurchmusterung einging.
Seine Entdeckungen ordnete Herschel tabellarisch. Dazu gruppierte er jedes Objekt in eine von 8 Klassen und gab jeweils die Position am Himmel an, an der es zu finden sei. (Jedoch nicht im heute gebräuchlichen Koordinatensystem, sondern mittels Abständen zu bekannten Sternen). Darüber hinaus beschrieb er ihr visuelles Erscheinungsbild und machte Angaben darüber, ob es ihm gelungen war, das Objekt in Einzelsterne aufzulösen.
Scheinbare Helligkeit, Größe und Form erschienen ihm als geeignete Kriterien für seine 8 Klassen.
Im April 1786 wurden die Entdeckungen unter dem Titel:
“Catalogue of one thousend new nebule and clusters of stars” präsentiert; weniger als 5 Jahre nach Messiers dritter Liste mit 103 Einträgen.
(Rechts die anklick- und somit vergrößerbare Einleitung seiner Original-Veröffentlichung)
Interessanterweise war es wohl keinem anderen Astronomen möglich, Herschels Entdeckungen in ihrer Gesamtheit zu überprüfen, denn nur er besaß ein Teleskop (und wohl auch die Augen), das in der Lage war, die Objekte allesamt sichtbar zu machen. Anderen Beobachtern blieben nur die kräftigsten Objekte.
Daher gab es über mehrere Jahrzehnte keine Revision seines Katalogs.
Dies erfolgte erst rund 40 Jahre später durch seinen Sohn John bzw. im weiteren durch Johan Dreyer und weitere.
Das Original kann hier eingesehen werden.
Zweite Liste
“Catalogue of a second Thousand of new Nebulae and Clusters of Stars” (1789)
Alle Entdeckungen seines ersten Katalogs hatte Herschel vom Garten seines Hauses in Datched, einer Ortschaft bei London gemacht. Dieser lag in einer Senke in der Nähe der Themse, was besonders in den Herbst- und Wintermonaten zu regelmäßiger Nebelbildung führte.
Praktisch zeitgleich mit der Veröffentlichung des ersten Katalogs von 1000 Objekten übersiedelten William und seine Schwester Caroline in die kleine Ortschaft Slough; den Ort, der für ihr weiters Leben ihr Zuhause sein sollte.
Bereits vor dem Umzug hatte Herschel mit dem Bau des oben bereits angesprochenen 40 foot Teleskops begonnen.
Seine Tage verbrachte er während der nächsten 3 Jahre überwiegend mit dem Bau dieses Geräts, während er in den Nächten weiterhin den Himmel absuchte.
1788 heiratete er – im stolzen Alter von 49 Jahren.
1792 wurde sein Sohn John geboren.
All diese Umstände führten dazu, dass das Auffinden der nächsten 1000 Objekte nicht 16, sondern 43 Monate (also 3,5 statt 1,5 Jahre) in Anspruch nahm.
Im Dezember 1788 war es soweit.
Dieses Mal dauerte die Erstellung des Katalogs allerdings nur etwa 3 Monate, sodass Herschel im April 1789 der Royal Society seinen
“Catalogue of a second Thousand of new Neulae and Clusters of Stars” präsentieren konnte.
Hier kann das Original eingesehen werden.
(Übrigens behält Herschel in der Überschrift hier die deutsche Eigenart bei, die Hauptwörter mit einem Großbuchstaben zu beginnen.)
Dritte Liste
“Catalogue of 500 new Nebulae, nebulus Stars, planetary Nebulae and Clusters of Stars” (1802)
Auch nach dem zweitausendsten Objekt 1788 und während der Arbeit an der zweiten Liste suchte Herschel weiterhin den Himmel nach neuen Objekten ab. Dies erfolgte vor allem in den kommenden drei Jahren bis 1791 noch sehr regelmäßig, im Anschluss nur noch sporadisch.
Zuletzt betrachtete er die zirkumpolaren Regionen nahe des Himmelspols, die er bei seinen Durchmusterungen bisher nicht systematisch bearbeitet hatte.
Am 30. September 1801 erfolgte mit “sweep 1112” seine letzte Objektsuche mit dem Objekt Nummer 2508. Die letzten 8 Sichtungen nahm er allerdings nicht in seine Liste auf, um die runde Zahl von 500 nicht zu stören. (Sie wurden erst einige Jahrzehnte später von seinem Sohn veröffentlicht.)
Die Arbeit der letzten 14 Jahre hatte somit erneut 500 Objekte erbracht, die in der dritten und finalen Liste mündeten. Diese hatte nun eine etwas andere Bezeichnung und erwähnte im Titel auch ‘nebulus Stars’ und ‘planetary Nebulae’.
Auch hier ist das digitalisierte Original abrufbar.
(Hier fällt auf, wie sich die Typografie, vor allem das “s”, im Vergleich zu den ersten beiden Publikationen verändert hat.)
Nach der dritten Liste
William Herschel war nun 64 Jahre alt und beendete nach 19 Jahren seine aktive gezielte Suche nach diesen noch vor wenigen Jahrzehnten fast unbekannten “Nebelsternen”.
Dies bedeutete jedoch nicht, dass er sich zur Ruhe setzte. In den noch folgenden 20 Jahren seines Lebens betrachtete er auch weiter den Himmel, veröffentlichte viele Schriften und war ein aktiver Teilnehmer wissenschaftlicher Diskurse.
Viele seiner zentralen astronomischen Theorien basierten allerdings vor allem auf einer persönlichen Vermutung und erwiesen sich im Nachhinein als Fehlannahmen. Gleichzeitig waren sie aber wichtige Teilschritte im “Vorwärts-Irren und -Berichtigen”, also wichtige Abschnitte des astronomischen Erkenntnisgewinns.
Eine dieser Fehlannahmen möchte ich hier kurz nennen; als Vorgriff und Verknüpfung zum nächsten Teil dieser Serie: “Edward Barnard und die ‘dark markings in the sky'”.
Aber auch als Beispiel, wie “neu” unser Wissen über die Beschaffenheit des Alls ist:
Wissen im Wandel
Herschel war überzeugt, dass die “sternenlosen” Stellen im All tatsächlich sternenlose Löcher wären. Seiner Meinung nach hatten sich Sternhaufen unter Gravitation gebildet, dabei Sterne angezogen und in der Umgebung somit sternenlose Regionen zurückgelassen.
Mit dieser Vorstellung betrachtete er auch die Milchstraße und ging davon aus, dass sie unter der Gravitation zerfallen würde: In einzelne enorm sternreiche Abschnitte und sternlose Zwischenbereiche.
Betrachtet man die Milchstraße unter einem wirklich dunklen Himmel mit gut adaptierten Augen, so zeigt sie sich tatsächlich nicht als einfaches leuchtendes Band, sondern stark strukturiert: Enorm helle “Sternenflecken” wechseln sich ab mit dunklen, fast ganz sternfreien Regionen.
Wandert man sogar mit einem Teleskop durch die Weiten, so ist der Wechsel zwischen mit Sternen übersäten Gebieten und solchen, die kaum einen Stern zeigen, noch abrupter und eindrucksvoller. (Als Amateur z.B. sehr leicht im Schwan nachzuvollziehen, wo es mitten in der Milchstraße mit dem ‘nördlichen Kohlensack’ eine sehr sternenarme Region gibt)
Herschel hatte also eine klare Auffassung:
Anfänglich waren Sterne gleichmäßig am Himmel verteilt gewesen. Gravitation hatte Sternhaufen und Sterneninseln gebildet und würde das auch in der Zukunft weiter machen. Letztendlich würde sich somit der gesamte Himmel, aber auch die Milchstraße, in extrem sternenreiche und vollständig sternenlose Bereiche gliedern.
Die bereits damals vorhandene Idee von Materiestrukturen (“Wolken”), die das Licht überall vorhandener Sterne blockierten, lehnte er ab. All das hat sich in seiner Gesamtheit als falsch erwiesen:
Heute wissen wir, auch dank Edward Barnards Fotografien, dass in den scheinbar sternenlosen Regionen unserer Blick auf die eben doch vorhandenen Sterne von Materiestrukturen (Dunkelwolken, interstellare Materie) geblockt wird.
Ebenso als falsch hat sich die Annahme erwiesen, dass Sternhaufen das Ende eines Prozesses wären. Ein Vorgang, bei dem sich vereinzelte Sterne gravitativ zu einem Haufen verbinden würden.
Tatsächlich ist genau das Gegenteil der Fall: Sternhaufen sind der natürliche Beginn von Sternen, die sich erst später vereinzeln. Sein Sohn John Herschel übernahm diese Fehlannahmen in weiten Teilen.
So bleibt William Herschel vor allem als der wegweisende Beobachter des Himmels in Erinnerung: Als das Auge, das 2500 neue Nebelsterne fand.
(Und darüber hinaus Doppelsternsysteme untersuchte, Kometen und Monde entdeckte und viele weitere Bereiche der Astronomie abdeckte, die hier vollkommen unerwähnt bleiben.)
Wilhelm Herschel starb am 25.08.1822 im Alter von 83 Jahren als Sir William Herschel, nachdem er 1816 zum Ritter geschlagen worden war.
Caroline Herschel
Hier muss nochmals deutlich darauf hingewiesen werden, dass diese Listen fairerweise Caroline und William Herschel Kataloge heißen müssten, da sie unter der tatkräftigen Mithilfe seiner Schwester entstanden!
Einige der ersten Objekte wurden zwar von ihr selber entdeckt, ihr wichtiger Beitrag lag aber in der Assistenz ihres Bruders. Nur durch ihre “administrative” Unterstützung war es Herschel möglich, in seinen Beobachtungsnächten am Teleskop ‘durchzuarbeiten’, während Caroline seine Entdeckungen im künstlichen Licht verschriftlichte. Ohne ihre Unterstützung, wäre es ihm nicht möglich gewesen, sich auf die Beobachtung zu konzentrieren.
Die “Caroline and William Herschel Listen” müssen klar als Gemeinschaftsarbeit betrachtet werden. Caroline war hierbei nicht nur die Assistentin der nächtlichen Beobachtungen, sondern hatte einen beträchtlichen Anteil an der Erstellung schriftlicher Veröffentlichungen ihrer gemeinsamen Forschung.
(Im Bild: Caroline Herschel im Alter von 92 Jahren, 6 Jahre vor ihrem Tod)
Herschels endgültiger Katalog wurde später von seinem Sohn John Herschel und dessen eigenen und weiterer Beobachtungen zum GC-Katalog (General Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars) ergänzt.
Der 1864 veröffentlichte Katalog enthielt dann bereits 5079 Objekte.
Letztendlich ging aus den Arbeiten von Caroline, Wilhelm und John Herschel der unten beschriebene und heute gut bekannte Neue Generalkatalog NGC hervor.
Herschel als Entdecker
Im Gegensatz zum Messier-Katalog, bei dem nur 38% der Listungen echte Neuentdeckungen bzw. Erstbeschreibungen Charles Messiers sind, enthalten die drei Herschel-Listen überwiegend eigene Neuentdeckungen.
Selbstverständlich nutzte Herschel verfügbare Quellen, überprüfte die Angaben und nahm einige Objekte ggf. mit in seine Listen auf.
Die systematische Musterung des Himmels und die Zusammenarbeit mit seiner Schwester erbrachten jedoch eine riesige Fülle wirklich neuer Entdeckungen.
So umfasst der Herschel-Katalog zwar Objekte von 10 Entdeckern/Erstbeschreibern, aber 99,04% (2476 Objekte) der Listungen gehen auf die Himmelsdurchmusterungen der Herschels zurück und sind echte Neuentdeckungen und Erstbeschreibungen. 11 davon entdeckt von Caroline im Jahr 1783, noch vor dem Beginn der systematischen Durchmusterung.
Herschels Arbeitsweise muss sehr sorgfältig gewesen sein, da ihm nur wenige Fehler unterliefen.
Spätere Untersuchungen zeigten, dass nur 34 der 2500 Objekte mehrfach in den Katalogen auftauchen. Eine Trefferquote von 98,64% ist tatsächlich bemerkenswert und wurde kaum von anderen Astronomen erreicht.
Neben seinem Katalog von 2500 nebligen Objekte, legte er noch einen zweiten Katalog von 848 Doppelsternen vor, bei denen es ihm gelang nachzuweisen, dass sie gravitativ gebunden sind und nicht nur rein optisch dicht beisammen stehen.
Objekttypen
Als visueller Katalog umfassen die 2500 Listungen William Herschels vor allem Galaxien und Sternhaufen. Wie sich im Folgenden auch bei John Herschel und später auch beim NGC zeigen wird, machen echte neblige Gebiete (Strukturen interstellarer Materie verschiedener ‘Leuchtursache’, vor allem Emissions- und Reflexionsnebel) somit nur einen Bruchteil der gelisteten Objekte aus.
Dies liegt einerseits in der deutlich größeren Anzahl tatsächlich vorhandener Galaxien begründet. Andererseits auch in der Tatsache, dass sie, genau wie viele Sternhaufen, relativ klein sind und so wunderbar zu den starken Vergrößerungen passten, die Beobachter damals nutzten. Drittens sind Galaxien, aber auch Sternhaufen meist deutlich umgrenzte und vor dem Himmelshintergrund hervortretende Gebilde.
Großflächige und/oder schwache und diffuse Nebelgebiete wurden so oftmals übersehen.
Herschel listet 13 reine Emissionsnebel. Dabei werden allerdings Teilbereiche bekannter Nebel (z.B. im Orion-, Lagunen- oder Möwen-Nebel) als einzelne Nebel beschrieben, sodass es aus heutiger Sicht weniger als 13 Nebel sind.
Vier weitere Emissionsnebel beinhalten einen markanten Sternhaufen und ebenfalls vier sind mit einem Reflexionsnebel kombiniert. Reine Reflexionsnebel finden sich neun an der Zahl.
Gemeinsam verweisen also etwas über 35 Einträge auf Reflexions- und Emissionsnebel, bzw. deren Mischformen; tatsächlich sind es weniger.
Somit sind nicht ganz 1,5% der gelisteten Objekte die Art Deep-Sky-Objekt, die heute bei uns Astrofotografen so begehrt sind.
Man kann also sagen: Herschels Listen sind so gut wie reine Galaxien- und Sternhaufen-Listen. Freunde roter Emissionsnebel greifen besser zu anderen Katalogen.
Unter Herschels Erstbeschreibungen finden sich dennoch einige der bekanntesten und auch markantesten Nebel. Beispielsweise der Nordamerika-Nebel und der Flammen-Nebel im Sternbild Orion. Mit dem Iris-Nebel listet Herschel einen der heute wohl bekanntesten Reflexionsnebel.
Gruppierung
Die neuen Nebulae und ‘clusters of stars’ ordnete William Herschel in 8 verschiedene Klassen. Ihm stand damals selbstverständlich nur der visuelle Eindruck als Unterscheidungskriterium zur Verfügung, was seine Gruppen heute obsolet macht.
- I Helle Nebel
- II Schwache Nebel
- III Sehr schwache Nebel
- IV Planetarische Nebel
- V Sehr große Nebel
- VI Sehr konzentrierte und reiche Sternhaufen
- VII Konzentrierte Sternhaufen schwacher/heller Sterne
- VII Schwach konzentrierte Sternhaufen
Dass Herschel rein nach visuellem Eindruck gruppierte, zeigt sich in allen 8 Klassen, am deutlichsten jedoch bei Klasse IV, den planetarischen Nebeln. In dieser Klasse finden sich fast 40 Galaxien, mehrere Emissions- und Reflexionsnebel und sogar einige Sternhaufen. Nur 20 der 77 Objekte sind das, was heute als klar definierter planetarischer Nebel gilt.
Die ‘sehr großen Nebel, Klasse V’ als zweites Beispiel, umfassen, anders als wir heute erwarten würden, vor allem Galaxien und deutlich weniger großflächige unregelmäßige Nebelgebiete.
All das zeigt, dass seine visuelle Klassifizierung heute in weiten Zügen keinen echten Nutzen mehr hat. Einzig bei Sternhaufen trifft sie weiterhin relativ gut zu:
Benennung und Nummerierung
Für die Objekte der Herschel-Kataloge gab es, anders als beim Messier- und vielen weiteren Katalogen, keine eindeutige Nummerierung. Zwei mögliche zeige ich hier kurz auf:
Die erste wäre: H 5.2096
Eine zweite wäre: H 20965
H steht für Herschel, die 5 für eine der acht Objektkategorien und die 2096 gibt die fortlaufende Nummer an.
Das Objekt H 5.2096 ist demnach das 2096. gelistete Objekt. Es findet sich im dritten Katalog und gehört zur Klasse 5 “very large Nebulae”. Es handelt sich hierbei um den Nordamerika-Nebel NGC 7000 bzw. Sharpless 117.
Williams Sohn John übernahm die Klassifizierung seines Vaters in weiten Zügen und auch im NGC ist sie noch grundlegend zu finden. Erst spätere Erkenntnisse und der Einzug der Fotografie erbrachten die “Deep-Sky-Objekte”, wie wir sie heute kennen.
Hier nun endet mein Abriss über das Leben des zu seiner Zeit größten Astronomen und dem bis heute wohl erfolgreichsten Entdecker von Deep-Sky-Objekten.
Wir aber schreiten voran auf unserem Weg zum NGC. Ein Weg, der weiterhin spannend bleibt.
Im zweiten Abschnitt stoßen wir auf John Herschel, den Sohn von William:
ENDE TEIL 1: William Herschel
John Herschels General Catalogue of Nebulae and Clusters (GC)
Ersteller: | John Herschel |
Entstehungszeitraum: | 1782/83 bis 1864 |
Veröffentlichung: | 1833 (Slough Katalog) 1847 (Cape-Katalog) 1864 (Finaler Katalog) |
Objekttypen: | Überwiegend (2112 Stck.) Galaxien, aber auch Sternhaufen und Nebelgebiete |
Anzahl Einträge: | 5079 |
Genau wie bei seinem Vater William muss man bei John Herschel sagen:
“Sein Leben war ungemein vielfältig und wäre eine eigene Geschichte wert.” Doch auch die muss an dieser Stelle stark eingekürzt werden.
Daher werde ich, wie bei William, einen Überblick liefern und Johns Schaffen nach seinen Wirkungsstätten bzw. Katalogen aufgliedern und betrachten.
John Frederick William Herschel (1792 bis 1871) arbeitete, nachdem er zunächst u.a. Mathematik studiert hatte, gemeinsam mit seinem Vater. Nach Williams Tod überarbeitete bzw. erweiterte er dessen Lebenswerk. Später ergänzte er es u.a. um Objekte des Südhimmels, die er am Kap der Guten Hoffnung beobachtete.
Sein astronomisches Schaffen mündete in dem ersten Generalkatalog von Nebelgebieten und Sternhaufen.
Doch John Herschel war mehr als “nur” der erfolgreichste Astronom seiner Zeit, als den wir ihn hier betrachten werden:
Er war darüber hinaus ein Gelehrter, der sich für viele Fachrichtungen interessierte und Forschungen betrieb.
U.a. übersetzte er Homers Ilias ins Englische, veröffentlichte in den Bereichen Meteorologie, Geologie und der Botanik Südafrikas und machte richtungsweisende Entdeckungen fotografischer Prozesse (u.a. Fixierung von Silbersalzen). Das Verfahren zum Blueprint/Blaupause und die Begriffe ‘Photografie’, ‘Positiv’ und ‘Negativ’ stammen vom ihm.
Er verfasste ein vielbeachtetes Werk über die Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens und die “Natur der Dinge” und war Autor zahlreicher Abschnitte der Encyclopædia Britannica.
Auch die Einführung des julianischen Kalenders in die Astronomie und eine Verbesserung dieses Kalendersystems ist sein Verdienst.
Er war 1820, gemeinsam mit seinem Vater und weiteren, einer der Mitbegründer und späterer Präsident der Royal Astronomical Society.
John Herschel ist somit eine ungemein spannende Person, doch an dieser Stelle soll es um sein astronomisches Werk gehen:
Anders als sein Vater war John kein “Spätberufener”. Der Vater William war lange Zeit Musiker gewesen, wohingegen John die Astronomie und Wissenschaft praktisch bereits in die Wiege gelegt bekam.
Im Gegensatz zu seinem Vater war John jedoch nicht unbedingt hauptsächlich Astronom, sondern eher “auch” Astronom.
‘Auch’ und nicht ‘hauptsächlich’ wird u.a. die Tatsache illustriert, dass er während seiner Himmelsdurchmusterung in Südafrika noch die Zeit und Muße fand, die dortige Flora zu beschreiben und in rund 130 hervorragenden colorierten Zeichnungen festzuhalten. Dass er sich darüber hinaus für die Geologie seiner Umgebung begeisterte und sich ebenfalls in dieses Thema einarbeitete, verwundert da sicherlich nicht.
Er muss wohl ein hochgradig interessierter und umtriebiger Mensch gewesen sein.
Die Beobachtungen, damit einhergehend Neu-Entdeckungen und vor allem die Katalogisierungsarbeit John Herschels lassen sich in zwei Abschnitte gliedern: England und Südafrika.
Allesamt mündeten sie in den General-Katalog GC, der die Basis des späteren neuen General-Katalogs NGC wurde:
1: England/Slough
“Observations of Nebulae and Clusters of Stars made at Slough between the years 1825 und 1833”
= Der ‘Slough-Katalog’
John Herschel war einerseits überzeugt, dass es kaum möglich war, noch sehr viel mehr über ‘nebulae’ zu erfahren als das bereits Bekannte. Es sei denn, so seine Annahme, entweder durch die genaue Beobachtung einzelner Nebel und in ihnen stattfindende Veränderungen oder durch den Vergleich einer riesigen Anzahl von ihnen. So könne man eine Art Skala erstellen.
Er übernahm sinngemäß die Ansichten seines Vaters.
Er sah es somit als eine wichtige Aufgabe an, möglichst alle 2500 Beobachtungen seines Vaters (und alle anderen bereits bekannten anderer Beobachter) zu überprüfen und zu ergänzen, um daraus neuen Erkenntnisgewinn zu ziehen. Sozusagen “Masse für Klasse”.
Dieser Aufgabe widmete er sich von 1825 bis 1833, wobei er nicht die Teleskope seines Vaters nutzte, sondern ein eigenes Gerät. (460/6100 = 18 inches / 20 foot)
Sein Ziel war also nicht die Neuentdeckung, sondern die Verifikation und Positionsbestimmung aller bekannter Objekte.
Selbstverständlich liefen ihm dabei einige neue Objekte vor die Linse den Spiegel, deren Positionen er ebenso gewissenhaft vermerkte. Sein Ziel war es, jedes Objekt mindestens 2x unabhängig voneinander gesehen zu haben.
Seine Ergebnisse erschienen 1833 unter dem Namen:
“Observations of Nebulae and Clusters of Stars made at Slough with a twenty-feet reflector, between the years 1825 und 1833“.
Seine Liste wurde von der Fachwelt sehr gut angenommen, was wohl vor allem auf drei Hauptgründe zurückzuführen ist:
Erstens stand nun ein aktueller Katalog eines Großteils der bekannten ‘Nebulae and Clusters of Stars’ zur Verfügung, der, zweitens, vollständig von einem einzigen Beobachter erstellt (und vor allem verifiziert) worden war, was eine Einheitlichkeit aller Objekte und deren Beschreibungen/Klassifizierungen erwarten ließ.
Drittens war es der stringente Aufbau des Katalogs: Die Sortierung nach Rektaszension und die Angabe von eindeutigen Positionen, ergänzt mit einer eindeutigen Nummerierung.
Der Erfolg basiert also in einer weiteren Verbesserung bei der Aufgabe “Ordnung ins Objektgewimmel” zu bringen.
Der Katalog:
Der Katalog umfasste neben der tabellarischen Auflistung von 2306 Einträgen viele dutzend Zeichnungen und ausführliche Beschreibungen.
Enthalten sind darin (laut John Herschel) 1697 Objekte seines Vaters, 78 aus dem Katalog Messiers, 6 des Astronomen Struve und 521 eigene Neuentdeckungen (als Nova markiert).
Spätere Untersuchungen zeigen jedoch, dass ihm dabei 49 Fehler unterliefen, beispielsweise doppelte Objekte.
Aus heutiger Sicht verbleiben dennoch 466 echte Neuentdeckungen John Herschels, was ihn damals nach seinem Vater zum zweit-erfolgreichsten Entdeckter neuer ‘nebulae’ machte.
Die Leiden des jungen Herschel – Damals wie heute
John Herschel hatte mit denselben Problemen zu kämpfen, die wir noch heute allzugut kennen: Der alles überstrahlende Mond und die viel zu kurzen Sommernächte, die auch in großen Teilen Deutschlands, genau wie in England, überhaupt nicht mehr richtig dunkel werden. Und natürlich das Wetter!
“It is only in the months of March, April and May that the richer parts of the heavens can be advantageously observed, then only in the complete absence of the moon, and of twilight”, merkte er im Vorwort seines Slough-Katalogs an und ergänzte:
“When to these conditions we add those which arise from the variable and uncertain nature of our climate, it will be seen that a number of circumstances by no means frequently concurring, is necessary to produce a night in which it is possible to make any great progress.”
“Nur in den Monaten von März bis Mai können die reichhaltigsten Himmelsareale wirklich gut beobachtet werden. Und auch dann nur während der vollständigen Abwesenheit des Mondes und außerhalb der Dämmerungsphasen.
Hinzu kommen die unsicheren und wechselhaften Gegebenheiten unseres Klimas.
Dies verdeutlicht, dass eine Menge Bedingungen erfüllt sein müssen, die zweifellos nur selten zusammentreffen, damit sich Nächte ergeben, in denen ein nennenswerter Fortschritt erzielt werden kann.”
freie Übersetzung
2: Südafrika/Kap der Guten Hoffnung
“Results of atronomical Observationes made during the years 1834, 5, 6 , 7, 8 at the Cape of Good Hope”
= Cape-Katalog (ab 1834)
Im November 1833, fast zeitgleich mit der Veröffentlichung seines Slough-Katalogs, bekam John Herschel die Chance nach Südafrika zu reisen. Für ihn eine ideale Möglichkeit, sich den bis zu diesem Zeitpunkt nur sehr lückenhaft erforschten Gegenden des Himmels zuzuwenden und den bereits überarbeiteten Katalog seines Vaters zu verbessern bzw. nach Möglichkeit zu vervollständigen.
Neben dem akademischen Interesse gab es für John Herschel (der mit seiner Frau reiste) noch einen weiteren, ganz privaten Grund, das “andere Ende der Welt” aufzusuchen:
Er war einer der bekanntesten, gefragtesten Männer der Wissenschaftsszene in England und in unzählige Aufgaben eingebunden. Ein vielgefragter Prominenter. Auch aufgrund der damals schon recht vielfältigen Medienlandschaft war er noch berühmter als sein Vater.
Traditionen, Etikette, gesellschaftliche und berufliche Verpflichtungen… Das durchorganisierte und aus- bzw. überfüllte Leben eines “Star-Wissenschaftlers” und den Druck, der auf ihm lastete, konnte er mit dieser Reise hinter sich lassen.
Später bezeichnete er die Zeit am Kap der Guten Hoffnung als die glücklichste seines Lebens.
Zwar waren bereits, bevor John Herschel mit der systematischen Durchmusterung des Südhimmels begann, eine ganze Reihe an Deep-Sky-Objekten bekannt und verzeichnet worden. Aber nicht mit der typischen Systematik und Akribie der Herschels:
Das waren zunächst jene 42 Objekte, die DeLacaile als ‘Beifang’ seiner Afrikareise der Jahre 1751 bis 1754 mitbrachte und die bereits Messier kannte (siehe den Artikel zum Messier-Katalog).
Darüber hinaus gab es jedoch auch eine Liste mit 629 Einträgen. Diese wurden 1826, acht Jahre vor Johns Reise, von James Dunlop in der Nähe von Sidney beobachtet.
Beide Listen kannte John Herschel und nutzte sie für seine Beobachtung.
Eine große Hilfe waren sie jedoch nicht, wie er vermerkte und John Herschel konnte nur etwa ein Drittel der Objekte bestätigen.
Nach einer zweimonatigen Schiffsreise und seiner Ankunft im Januar 1834 bezog er Quartier in Feldhausen nahe Kapstadt. Die folgenden vier Jahre widmete er sich nun der Erforschung und Katalogisierung des Südhimmels. Tagsüber aber auch, wie bereits in der Einleitung angemerkt, der Geologie und Flora seiner neuen Umgebung.
Zum Einsatz kam das aus England mitgebrachte Teleskop, was weiterhin eine Einheitlichkeit der Beobachtungen und Beschreibungen garantierte. Für John Herschel war die Erkundung des Südhimmels keine neue Unternehmung, sondern die logische Fortführung seiner in England begonnenen Arbeit.
Daher verwundert es auch nicht, dass John in Südafrika nicht mit Himmelsdurchmusterung Nr. 1 (sweep 1) begann und sein erstes Objekt als Nr. 1 bezeichnete. Da er den Südhimmel nur als Ergänzung betrachtete, folgte er der Logik, selbstverständlich an seine Beobachtungen in Slough anzuknüpfen. Er begann daher mit sweep Nr. 429 und erfasste als erstes das Objekt Nr. 2308.
So gesehen hatte John Herschel in Slough den Grundstein für ein Werk des gesamten Himmels gelegt, das in Südafrika nur vervollständigt wurde. Bis dahin vergingen jedoch noch einige Jahre, sodass er seine “Südhalbkugel-Ergebnisse” zunächst eigenständig veröffentlichte.
In Südafrika entdeckte er auch, dass die Magellanschen Wolken keine Nebel, sondern Ansammlungen von Sternen sind. Dass es sich um kleinere unregelmäßige Begleitgalaxien unserer Heimatgalaxie der Milchstraße handelte, war damals noch nicht zu erahnen.
Noch 90 Jahre später wurde die Frage diskutiert, ob es überhaupt außerhalb der Milchstraße etwas geben würde: Weitere Milchstraßen/Galaxien oder ob die Milchstraße “Alles” sei.
Die zwei Positionen “Die Milchstraße ist das gesamte All, alle Nebulae sind Teil von ihr” vs. “Die Milchstraße ist eine von vielen Sterneninseln, einige Nebulae sind ähnliche Gebilde, jedoch sehr weit weg” mündete in ‘der großen Debatte’ in den 1920er Jahren. (Ausführlicher beschrieben im Artikel zum Sternbild Andromea.)
Diese grundlegende Frage wurde erst 1923 von Edwin Hubble endgültig beantwortet, fast 100 Jahre nach Herschels Beobachtungen der Magellanschen Wolken in Südafrika.
Der Katalog:
1847 veröffentlichte John seinen Katalog als “Results of astronomical Observations made during the years 1834, 5, 6 , 7, 8 at the Cape of Good Hope”. Dieser umfasste 1708 Listungen.
Hier wurden dann auch die 8 von seinem Vater William beobachteten, aber nicht veröffentlichten Objekte erstmalig genannt (W. Herschel wollte genau 500 Objekte veröffentlichen und ließ die letzten 8 weg).
Unter den 1708 Einträgen finden sich (gemäß John Herschel) 211 seines Vaters, die John in Slough nicht beobachtet hatte, ebenso 15 aus den Katalogen Messiers. Darüber hinaus listet John Herschel 200 der 629 Objekte von James Dunlop (die ungenaue Sidney-Liste von 1826) und 8 weitere.
Eigene Neuentdeckungen sind es demnach 1274.
Auch hier gibt es wieder einige Fehler, sodass 23 Objekte ganz entfallen und andere doppelt gelistet sind, was zu tatsächlich 1685 einzelnen Objekten führt. Auch sind 11 anstatt nur 6 Entdecker zu nennen.
Nach dem Abzug von Objekten, die Herschel bereits in Slough beobachtet hatte, verbleiben letztendlich 1207 echte Neuentdeckungen, wobei sich 3% als Sterne oder ähnliches herausstellten. Dennoch: 97% müssen heute als “echt neu” betrachtet werden. Eine hervorragende Trefferquote, die der seines Vaters entspricht.
Wie auch bei den 2500 gelisteten (und 2476 echten) Objekten seines Vaters, handelt es sich überwiegend um Galaxien:
818 der 1207 (68%) gehören zu dieser Objektgruppe, gefolgt von 214 offenen und 14 Kugelsternhaufen.
Hinzu kommen ein Reflexionsnebel, 17 planetarische Nebel und 44 Emissionsnebel (3,6%).
Hier wird, wie auch bei den Katalogen William Herschels und im folgenden NGC erneut überdeutlich, dass Galaxien die bestimmende Objektgruppe waren, die mit den damaligen Mitteln visuell aufgefunden werden konnten:
Sie sind klein und leuchtkräftig. Großflächige und eher leuchtschwache Nebelgebiete, wie sie (Amateur-)Astrofotografen heute schätzen, wurden damals kaum wahrgenommen.
Dieser Unterschied besteht auch heute noch im Vergleich zwischen visueller und fotografischer Astronomie.
Aus dem ‘englischen’ Slough Katalog und dem ‘südafrikanischen’ Cape Katalog ging letztendlich John Herschels finales Werk, der General-Katalog, hervor.
General Catalogue of Nebulae and Clusters of Stars (GC)
Nach seiner Rückkehr aus Südafrika und der Veröffentlichung des Cape-Katalogs beendete John Herschell seine gezielte, systematische Himmelsdurchmusterung.
Die Entdeckung neuer Objekte war damit allerdings nicht beendet. Im Gegenteil: Sie nahm, aufgrund der Beobachtung unzähliger Astronomen, noch Fahrt auf.
In den folgenden Jahren wurden hunderte neuer ‘Nebulae’ gefunden (viele davon als Beifang und Zufallsfunde bei der Suche nach Kometen) und teils in Listen und sogar (kleineren) Katalogen veröffentlicht.
Das Auffinden neuer Objekte in großen Stückzahlen war u.a. möglich, da beide Herschels nicht den gesamten Himmel systematisch abgesucht hatten, aber auch, da andere (weitere und/oder leistungsfähigere) Teleskope zum Einsatz kamen.
Sehr viel geschah parallel und ich kann hier nicht mal im Ansatz auf all das eingehen und all die Entdecker nennen.
(Ein wenig findet sich dann unterhalb beim NGC.)
Worauf ich aber eingehen möchte, ist John Herschels letztes Werk, den General Katalog.
Dieser Katalog ist aufgrund seiner Entstehung etwas anderes als die ersten beiden Kataloge John Herschels:
Seit der Veröffentlichung des ‘englischen’ Slough-Katalogs und des ‘südafrikanischen’ Cape-Katalogs waren 31 bzw. 17 Jahre vergangen, bevor Herschel sein finales, allumfassendes und daher auch als General Kalalog bezeichnetes Werk veröffentlichte. Das war im Jahr 1864.
31 bzw. 17 Jahre, in denen andere Astronomen gewirkt, geforscht und entdeckt hatten. Einige von ihnen, vor allem die umtriebigsten, hätten hier einen eigenen Abschnitt verdient, aber bleiben aus Platzgründen nur eine Randnotiz.
Der Slough-Katalog und der Cape-Katalog waren Werke, die vollständig und ausschließlich auf eigenen Beobachtungen John Herschels basierten.
Der General-Katalog (GC) hingegen war die Zusammenfassung aller bisher veröffentlichten Nebel.
John Herschel verarbeitete nun nicht mehr nur seine eigenen Beobachtungen, sondern auch alle Objekte seines Vaters, die er nicht selber beobachtet hatte, sowie alle ihm zugänglichen Neuentdeckungen. Der CG war somit eine akribische Schreibtischarbeit, die im Abgleich aller zugänglichen Listen und der wichtigen Vereinheitlichung aller Objekte lag.
Die Erstellung eines solchen General-Katalogs erschien wünschenswert, da die Masse an Neuentdeckungen (oder vermeintlichen Neuentdeckungen) kaum noch zu überblicken war:
Unterschiedliche Beobachter, verschiedenartige Beschreibungen, uneinheitliche Positionsangaben, doppelte “Erstentdeckungen”… Die Jahre seit Herschels eigenen Beobachtungen hatten eine Fülle an Objekten, aber auch neue astronomische Erkenntnisse erbracht, die er gedachte, in einem allgemein gültigen (und darum ‘General’) Katalog zu bündeln. Es sollte der erste Katalog werden, der sowohl Objekte des Nord- als auch des Südhimmels beinhaltete.
Dennoch bilden seine eigenen Beobachtungen und die seines Vaters die Basis. Nur etwa 10% der Listungen stammen von anderen Astronomen.
Die Arbeit hieran begannen 1859 und endete 1864 mit der Veröffentlichung des letzten großen Werks John Herschels.
John Herschel starb am 11. Mai 1871 im Alter von 79 Jahren nach einem erfüllten Leben, in dem er sich nicht nur der Astronomie, sondern vielen Bereichen der Wissenschaft zuwandte. Er hinterließ seine Frau und 11 seiner zwölf Kinder.
1874, drei Jahre nach seinem Tod, erschien in den Memoirs der Royal Astronomical Society der “Catalogue of 10,300 Multiple and Double Stars”.
Anmerkungen:
Zu beiden Herschels gäbe und gibt es noch unglaublich viel mehr zu erzählen.
Ich habe während der Recherche zu diesem Artikel unzählige Webseiten besucht und deren Behauptungen abgeglichen.
Es ist wirklich spannend (und erschreckend), wie sehr sich Angaben unterscheiden und wie viel (auch falsch) abgeschrieben wird. Beispielsweise scheint das Teleskop John Herschels die magische Eigenschaft zu haben, seine Größe zu ändern. (Die 18 Inches/Zoll = ~46 cm Spiegeldurchmesser und die 20 foot = 6,1 m Brennweite werden munter verwechselt und alle möglichen Größen angegeben.) Es ist wahrlich nicht immer einfach, überall die richtige Angabe herauszufinden.
Vieles, das sehr interessant war, hat hier keinen Platz gefunden.
(Beispielsweise, warum überhaupt und wie es W. Herschel und später seine Schwester nach England verschlug, viel mehr zu den Forschungsarbeiten beider Herschels oder zu J. Herschels Tätigkeiten in anderen Wissenschaftsfeldern.)
Nachdem der Artikel bereits fertig geschrieben war, habe ich noch einige Bücher erworben. (Vor allem in der Absicht, nochmals sicherzugehen, dass ich hier keinen Unsinn erzähle.)
Eines der beiden Bücher ist eine Doktorarbeit, die ich naturgegeben für sehr vertrauenswürdig halte. Sie ist unglaublich tiefgehend und beschreibt vor allem den NGC und seine Entstehung in vielen Einzelheiten. Allerdings auch sehr akademisch.
Ich fand sie spannend und war ungemein froh, keine groben Fehler in meinem eigenen Text gefunden zu haben. 😉 Allerdings hätte ich mir einige eigene Berechnungen sparen können.
Das zweite Buch (The complete guide to the Herschel objects) habe ich ‘einfach so’ mitbestellt und bereue es nicht, da auch das, populärer geschrieben, sehr informativ war.
Daher kann ich an dieser Stelle für weitere Informationen alle Bücher rundweg empfehlen.
ENDE TEIL 2: John Herschel
Kurze Verschnaufpause
So: Herschel 1 und Herschel 2, Senior und Junior sind “abgearbeitet”. Nun folgt der finale Schritt zum NGC.
Ein guter Zeitpunkt, damit Du als Leser mal eine Pause einlegen kannst.
Aber auch ein guter Zeitpunkt, um kurz zu rekapitulieren:
Wir befinden uns nun im Jahre 1864.
Recht genau 150 Jahre vor heute und fast genau 100 Jahre nach Charles Messiers erster Veröffentlichung der damals gänzlich neuen Himmelsobjekte 1771.
In diesen 100 Jahren fegte die franz. Revolution das Königshaus davon, es entstand die erste Republik in Europa (1790er Jahre) und die USA erklärten sich 1776 für unabhängig.
Technik und Forschung machten enorme Fortschritte, die ganze Welt schien “erobert” und immer kleiner zu werden. Der Ausbruch des Vulkans Tambora 1815 war das erste derartige Ereignis, das, dank der recht neuen Telegrafie, fast in Echtzeit in allen Ländern der Welt wahrgenommen wurde.
Die Fotografie wurde erfunden, weltweite Temperaturmessungen begannen, die Industrialisierung setzte ein und in Amerika tobte zeitgleich zur Veröffentlichung von John Herschels CG der Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 (Der wiederum einen Einfluss auf das Leben des im nächsten Teil vorgestellten “ersten Astrophotografen” Edward Emmerson Barnard hatte).
Kurz:
Wir haben einen Zeitraum von rund 100 Jahren betrachtet, der von enormen Veränderungen geprägt war. Einen Zeitraum, in dem sich die Geschichte, aber auch der Fortschritt immer schneller zu bewegen schienen und die Welt von Neuentdeckungen in allen denkbaren Bereichen geprägt war.
(Wobei das alles natürlich vor allem für den sogenannten “Westen” galt und auch dort nur für den kleineren Teil der Bevölkerung: Die kleine Oberschicht und den sich langsam herausbildenden Mittelstand und das Bürgertum.)
Bis zur Veröffentlichung des NGC, des neuen Generalkatalogs, sind es noch 24 Jahre.
Folge mir nun, nach dieser zeitlichen Einordnung und Rekapitulation hinüber zum letzten, dem dritten Abschnitt auf unserem Weg von Herschels Nebel-Listen zum NGC
Fazit und freundliches Schlusswort
So, da wären wir nun beim Ende angelangt. Es war ein langer Weg bis hierher:
Wir hatten Herschel senior, mit dem (nach Charles Messier), die Faszination für Nebelsterne und Sternhaufen so richtig Fahrt aufnahm. Wir hatten Herschel junior, der die Arbeit seines Vaters weiterführte.
Und wir haben ein Resultat aus allem ihrem Wirken und Schaffen: Wir haben den GC, den ersten echten Generalkatalog.
Doch der Artikel heißt nicht umsonst “Von Herschels Nebellisten zu Dreyers NGC”.
Dir ist also bestimmt schon aufgefallen, dass da noch eine Kleinigkeit fehlt?!
Genau! Da fehlt ein “N”.
Wenn Du es bis hierher spannend fandest, so möchte ich Dich gerne einladen mir hinüber zu folgen.
Hinüber zum zweiten Abschnitt. Hinüber in die letzten 150 Jahre vor heute. Hinüber auf dem Weg zum “N”.
Aber zuvor:
Gönn Dir ne Pause, lass es sacken, mach Dir nen Tee…
Denn auch der nächste Abschnitt wird umfangreich.
So long und bis gleich. Wir lesen uns drüben beim NGC.
Hier klicken für die Fortsetzung