Als OPT und Trevor/Astrobackyard Ende 2020 den Radian Raptor vorstellten, war er schnell in aller Munde. Angepriesen als neues Widefield-Teleskop mit einer hervorragenden Abbildungsqualität. Ideal für Anfänger, geliefert mit allem notwendigen Zubehör, sofort einsatzbereit und auf den ersten Blick sehr schick. Ein Teleskop, das von einem erfahrenen Nutzer und Youtuber designt und vollkommen auf die Anforderungen der Astrogemeinde abgestimmt war.
Ein kleiner Hype entstand um dieses angeblich so einzigartige Gerät.
The Radian Raptor is different than all the other options out there!
(Travor/astrobackyard)
Doch ist es wirklich so einzigartig? Mir kamen sofort Zweifel und wie ich bald feststellte, war ich nicht der einzige.
Folge mir daher nun zu einem Test live am Stern:
Der Radian Raptor unter Realbedingungen inkl. unbearbeiteten Rohbildern und fertig entwickelten Beispielfotos – ein Test, wie ich ihn schon öfters gemacht habe. “Wie gut ist der R61 in der Realität?”
Aber freue Dich vor allem auf einen Einblick in die Welt der Werbung, der Influencer-Kampagnen und der Methodik, wie man einen vollkommen ungerechtfertigten Hype auslöst.
Wenn es nicht so sperrig wäre, so könnte dieser Artikel daher auch heißen:
“Wie verkauft man ein ganz ordentliches, aber bereits existierendes Massenteleskop völlig überteuert, indem man die Mechanismen einer verlogenen, aber gut durchdachten Influencer-Kampagne und die naive Gutgläubigkeit der Fans ausnutzt?”
Basics: Die Fakten
Hersteller vs. Handelsmarke
Werbeaussagen und die Wirklichkeit
2. Der Test live am Stern
Verarbeitungsqualität und Handhabung
Entwickelte Bilder und unbearbeitete Einzelbilder
3. Outro
Fazit
Freundliches Schlusswort
Die Fakten
Zunächst wollen wir uns den Radian Raptor mal ganz nüchtern ansehen. Was für ein Teleskop haben wir da vor uns?
Auf den ersten Blick ist der Radian Raptor sehr schick und modern: Schwarz mit roten Applikationen.
Es handelt sich um ein Triplet-Apo Linsenteleskop mit ‘Premium Glas’ (welches oder die Art der Vergütung/Beschichtung wird entgegen der Gepflogenheiten nicht verraten).
Das Teleskop selber hat 335 mm Brennweite mit 61 mm Öffnung; also f5.5, wobei ein abgestimmter 0,82x Reducer/Flattener mitgeliefert wird, der es auf 274 mm f4.5 bringt.
Ausgestattet ist es mit einem Rotator, einem stabilen Fokuser mit Zahnstange und einer Taukappe.
Es ist auf einen 44 mm Bildkreis gerechnet und kann somit Sensoren bis zum Vollformat ausleuchten.
Mitgeliefert werden neben dem Front- und Rückdeckel:
– eine kurze Vixen-Prismenschiene
– eine geringfügig längere Losmandy-Prismenschiene
– zwei Rohrschellen
– ein sehr kleiner, simpler Rucksack
– ein Radian-Aufkleber, ein DINA4-Poster mit Mondphasen, ein kleines Brillenputztuch und ein 20$ Rabattcode für einen Einkauf bei OPT in Amerika.
– entgegen der Gepflogenheiten gibt es weder ein visuelles Rückteil noch einen Guiderschuh oder eine andere Möglichkeit, ein Guidingrohr zu befestigen.
Es handelt sich also um ein klassisches Widefield-Teleskop, mit einer mittleren Lichtstärke von f4.5 (verglichen mit anderen Apos eher in Richtung lichtstark gehend, verglichen mit Fotoobjektiven eindeutig als lichtschwach zu bezeichnen).
Soweit an sich nichts wirklich besonderes: Guter Standard.
Und dennoch ist ein Hype entstanden um dieses Teleskop, das ” different than all other option out there” ist – das also anders als jedes andere ist.
Ohne die Abbildungsleistung zu betrachten, sondern rein auf die technisch-optischen Fakten bezogen, muss man klar feststellen:
Es gibt mehrere Teleskope, die scheinbar identisch sind; Teleskope, die (abgesehen von der Farbe) genau die gleichen Spezifikationen aufweisen.
Die folgende Tabelle zeigt das anhand eines Beispiels: Links der Radian Raptor und rechts der Sharpstar EDPH II.
Radian Raptor 61 | Sharpstar EDPH 61 II | |
---|---|---|
Hersteller | identisch: Jaxing Rui Xing Optical Instruments | |
Erscheinungsbild | Eigentlich identisch. Die Farbgebung (weiß vs. schwarz) ist unterschiedlich, die roten Applikationen identisch. Alle Schrauben finden sich an derselben Stelle. Abgesehen von der Farbgebung keine Unterschiede | |
Gewicht | identisch: ~1,8kg | |
Baulänge | identisch: ~265mm minimal | |
Bauform | identisch: Triplet | |
Fokusser | identisch: Fokusser mit 1:10 und Zahnstange | |
Glas/Vergütung | "premium glas" | FPL53 |
Flattener | wird mitgeliefert und ist bereits angeschraubt (laut astrobackyard "buildt in" = 'fest verbaut', aber faktisch identisch) | wird mitgeliefert |
Arbeitsabstand | identisch: 55 mm | |
Prismenschiene | 1x 5 cm Vixen + 1x 8cm Losemandy (nur auf wenigen Montierungen nutzbar) | 1x 5 cm Vixen |
Rotator | ja - identisch | |
Rohrschellen | 2 schmale, mit unsicherem Öffnungsmechanismus | eine 5 cm breite mit klassischer Verschraubung |
Tasche | Ja | Nein |
Visuelles Rückteil | nein | ja |
Befestigung für Guider | nein | ja |
Handgriff/Tragegriff | nein | ja |
Preis (2021) | 1350.- | 749.- bis 799.- |
So groß wirken die Unterschiede nicht. Abgesehen von Farbe und dem leicht unterschiedlichen Zubehör ist alles zu 100% identisch.
(Beim Raptor gibt es eine Tasche und eine zweite Prismenschiene, die aber mit vielen Nachführungen nicht genutzt werden kann. Dafür fehlt das visuelle Rückteil und der Schuh für ein Guidingrohr.)
Naja: Der Preis ist natürlich noch ein Unterschied!
“Different than all the other options out there!” ?
Der Sharpstar EDPH 61 II ist dabei nur ein Beispiel; es gibt dieses Teleskop identisch und auch fast identisch noch unter anderen Handelsnamen.
Dass es nicht nur dem Anschein nach und anhand der Spezifikationen identisch wirkt, sondern es auch tatsächlich ist, zeigt mein Vergleichstest in einem anderen Artikel:
Absolut identische Bauteile, die auch kein Stück besser verarbeitet sind. Da ist weder hinsichtlich der theoretischen Werte noch hinsichtlich der handfesten Tatsachen irgendetwas “different than all the other options out there”.
Der Radian Raptor ist ein 100%iger Klon. Eines von mehreren baugleichen Teleskopen.
Das wäre soweit auch überhaupt kein Problem, wenn…
… wenn der Radian Raptor nicht Versprechungen machen würde, die er nicht halten kann.
… wenn er nicht obendrein auch noch weit über 50% teurer wäre als andere baugleiche.
Radian Raptor – Hype und Marketing?
Um es gleich vorweg zu nehmen:
Mit ein Grund, dieses Teleskop zu testen, war der Hype!
Ich wollte gar nicht unbedingt das supertolle, superneue Mega-Hyper-Teleskop haben.
Das wollte ich erst, als mir klar wurde, was da für ein Spiel gespielt wird.
Genau darum habe ich es mir gekauft.
Verursacht wurde der Hype und meine riesige Skepsis von zwei geschickt platzierten Werbevideos:
Auf der einen Seite das Video des Händlers OPT (der ja nicht der Hersteller dieses Massen-Teleskops ist).
Auf der anderen Seite der Clip des Influenzer-Posterboys Trevor/Astrobackyard (der ja nur Werbepartner, nicht Designer ist).
Ja. Das klingt extrem hart und fies. Und es tut mir auch ein bisschen leid.
Denn an sich mag ich Trevor. Seine Art, auch Anfänger für die Astrofotografie zu begeistern, seine positive Herangehensweise und den Grundtenor, den er vermittelt: Astrofotografie soll Freude bereiten und jeder kann es erlernen. Gerade am Anfang seiner Tätigkeit bei Youtube machte er sehr deutlich: Gute Fotos entstehen mit Freude und Leidenschaft und man muss dafür nicht endlos viel Geld ausgeben.
All das mag ich an Trevor, sehe es genauso und versuche es seit vielen Jahren hier zu vermitteln.
Aber wenn Du weiterliest, so wirst Du feststellen, dass man das noch deutlich heftiger ausdrücken könnte. “Influencer-Posterboy” ist hier leider wirklich zutreffend.
Ich liefere Dir im Anschluss nicht nur eine Vermutung, sondern eine ganze Reihe an Beweisen, die meine Aussage mehr als nur untermauern.
Kurz:
Ich habe das Teleskop gekauft, da ich genervt war von dem halb-anmaßenden und irgendwie peinlichen Gedöns, das um dieses angeblich einzigartige Gerät gemacht wurde. Und von all den Übertreibungen und platten Lügen, mit denen es – völlig überteuert – in den Markt gedrückt wurde. Ich wusste bereits anhand der Videos, dass da etwas nicht stimmt.
Doch um den wirklichen Beweis für meine Vermutungen zu haben, musste ich es selber ansehen und anfassen. Und vor allem: Live am Stern testen.
Um das alles wirklich zu verstehen, muss man sich klarmachen, wie Teleskope (aber auch alle möglichen anderen Geräte) hergestellt und gehandelt werden.
Man muss den Unterschied zwischen Hersteller (“Fabrik”) und Händler bzw. Marke kennen.
(OEM-)Hersteller vs. Handelsmarke
Unsere weltweiten Handelsketten sind aufgeteilt in die wirklichen Hersteller, also die Firmen, die Produkte tatsächlich bauen (vereinfacht: die Fabriken) auf der einen Seite.
Auf der anderen Seite stehen Händler und (Handels-)-Marken.
Nun ist es absolut üblich, dass ein Hersteller seine Produkte an viele verschiedene Händler liefert, die diese (gleichen) Produkte zu unterschiedlichen Preisen, mit unterschiedlichen Farben und unter unterschiedlichen Markennamen verkaufen.
–> Die Hersteller (Fabriken) werden dabei als OEM bezeichnet.
OriginalEquipmentManufacturer. Holprig übersetzt: “Original Ausrüstungs Hersteller”.
–> Die Produkte dann als OEM-Produkt.
–> Und das Vertreiben/Verkaufen dieser OEM-Produkte unter dem eigenen Namen und unter einer eigenen Marke wird als “Re-Branding” bezeichnet.
Das ist nun grundsätzlich nichts falsches und erst recht(!) kein Zeichen für schlechte Qualität!
So läuft eben die internationale Wirtschaft. Es ist auch nichts astrospezifisches, sondern in allen Branchen so. Es ist normal und gängige Praxis:
Auf der einen Seite gibt es ganz wenige (meist unbekannte) OEM-Hersteller und auf der anderen Seite ganz viele (Handels-)Marken, die alle letztendlich dieselben Produkte in anderer Verpackung verkaufen.
Auch viele der großen Marken haben keine eigenen Fabriken und stellen Produkte nicht selber her. Sie kaufen Produkte ein oder lassen sie herstellen und verkaufen sie dann unter dem eigenen Markennamen.
Oftmals gibt es daher identische Produkte mit einem anderen Aussehen, einem anderen Namen und teils einem anderen Preis.
Produkte von “Markenherstellern” sind dabei oftmals teurer, denn der Kunde muss ja die Werbung bezahlen, die ihm erzählt, das Markenprodukt wäre etwas besseres. Man zahlt den Aufpreis nicht unbedingt für bessere Qualität, sondern für das Gefühl, einen Markenartikel zu haben, für scheinbare Exklusivität, manchmal auch für den Service und oftmals einfach nur, damit die Werbung finanziert wird.
Das ist so bei Autos, bei Bier*, bei Kleidung, bei Computern und Mobilgeräten, bei Sportgeräten… einfach überall.
*Bier ist ein bekanntes Beispiel: Die Brauereien, vor allem die großen, geben im Jahr alleine in Deutschland rund eine halbe Milliarde Euro für Werbung aus. Und die zahlt selbstverständlich der Kunde. Er bezahlt also den von der Werbung verursachten Glauben, etwas besonderes zu bekommen. Werbung wirkt!
Beim Radian Raptor war darum auch von Anfang an anhand der Videos von Trevor/Astrobackyard und OPT klar ersichtlich, dass es einfach nur ein weiteres Teleskop eines OEM-Herstellers ist.
Alles, was ich in den Videos sah, kannte ich so ähnlich oder absolut identisch.
Kennt man die Bauteile, die der Hersteller nutzt, so erkennt man ein Teleskop, das aus seiner Fabrik kommt.
Beim Radian Raptor ist der Hersteller Jiaxing Ruixing Optical Instruments.
Der Händler heißt “OPT” und die Marke des Händlers “Radian”.
Jiaxing Ruixing Optical Instruments ist einer der Big Player im Teleskop-Markt und beliefert verschiedenste Händler, die seine Teleskope unter dem eigenen Markennamen verkaufen.
(Und das ist wie gesagt auch vollkommen ok. Kann der Händler gut handeln, kauft er große Stückzahlen ein, so kann er für uns als Kunden gute Preise ermöglichen.)
Ein anderer wichtiger OEM Hersteller wäre, um ein Beispiel zu nennen: Long Perng Optics.
Du hast noch nie etwas von diesen beiden Firmen gehört? Macht nichts.
Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Du ein Teleskop benutzt, das von ihnen hergestellt wird, ist recht hoch. Auch wenn auf Deinem Teleskop nicht Jiaxing oder Long Perng steht.
Denn letztendlich kann jeder bei diesen Firmen ankommen, sich aus der Produktpalette etwas lego-artig zusammenstellen, die Farbe und ein paar Kleinigkeiten festlegen und das dann als “sein eigenes Markenteleskop” anbieten.
Wie gesagt, ist das alles normal, total ok, nicht schlecht und überhaupt kein Grund, sich aufzuregen.
Aufregen kann man sich erst dann, wenn der Händler so tut, als hätte er etwas besonderes extra für die Kunden erschaffen.
Und das noch mehr, wenn der Händler das normale OEM-Produkt mit Falschaussagen bewirbt und mit diesen einen völlig überteuerten Preis rechtfertigen will.
Raptor – Werbeaussagen und die Wirklichkeit
Warum war ich nur so genervt vom Radian Raptor?
Ich werde es anhand diverser Aussagen, die in den Werbevideos von Trevor/Astrobackyard und OPT fallen, erklären.
In Summe liefern diese Aussagen und der Abgleich mit der Realität den Beweis, dass
…Trevor nicht designt hat
…er wichtige Bauteile nicht kennt (nach 6 Monaten Design und 3 Wochen Nutzung!?)
…platt und offen in die Kamera gelogen wird
…der Radian Raptor identisch zu anderen ist
…man absichtlich und im vollen Bewusstsein versucht, Kunden mit Falschaussagen zu ködern.
Vorweg und zum Aufwärmen:
Alle baugleichen OEM-Teleskope, die der Hersteller baut und die unter den verschiedenen Namen (TS, Sharpstar, Omegon…) verkauft werden, werden als
274 mm
Teleskope angeboten.
Beim Radian Raptor heißt es in den Werbevideos von Trevor/Astrobackyard und auf der Website des Verkäufers OPT:
275 mm.
Schaut man sich die Werbevideos aber genauer an, so findet man an zwei Stellen (wenn auch nur recht kurz) den Beweis, dass das nicht stimmt:
An zwei kurzen Stellen kann man kurz einen Aufkleber sehen, auf dem steht: “Radian 274 mm”.
Merke: Wenn man schon behauptet, dass es 275 mm sind, dann sollte man im Video-Schnitt ein klitzekleines Bisschen besser aufpassen!
Hier die beiden Stellen als stark vergrößerter Screenshot:
Alleine dieses scheinbar lächerliche Beispiel zeigt schon, wie verlogen die gesamte heftige Influencer-Werbekampagne ist!
Denn diese Falschaussage und viele weitere sind kein Zufall, sondern methodisch wiederkehrend in diesen beiden Videos (und auch einem späteren Video von Trevor):
Ein 274 mm Teleskop, ein einfacher Klon, wird als 275 mm Teleskop bezeichnet, um einzigartig zu wirken.
Auch ich bin anfangs darauf reingefallen:
Ich habe mich selber gefragt, ob der Raptor evtl. doch etwas anders ist als der Sharpstar und die anderen gleichen. Ob da nicht doch im optischen Design etwas anders gebaut wurde.
Schließlich wäre der Raptor ja ein 275 mm und die anderen 274 mm. Ich habe mich gefragt, ob der eine mm Unterschied aufgrund eines Neudesigns der optischen Elemente entstanden sein könnte.
Denn anfangs zweifelte ich nicht an den 275 mm. Erst die kurzen Stellen, die den 274 mm Aufkleber zeigen, ließen mich stutzig werden.
Diese bewussten Falschaussagen, der krampfhafte Versuch, ein Klon-Teleskop einzigartig wirken zu lassen, ziehen sich als roter Faden durch die Videos von Trevor und OPT.
Beide versuchen beim potentiellen Kunden das Gefühl einer nicht vorhandenen Einzigartigkeit zu erzeugen und schrecken dabei nicht mal vor klaren Lügen zurück, um diesen heftig überteuerten Klon in den Markt zu drücken.
Jedes 0815-Bauteil, das in den Videos vorgestellt wird, wird mit folgenden Satzbausteinen begonnen: “We made sure, that…”, “We have done for you…”, We designed and built for you…”
(WIR haben sichergestellt, dass… WIR haben das für Euch gemacht… WIR haben das so gebaut und designed…)
Sogar – und das ist kein Witz – der Deckel des Teleskops wird so beworben!
(It comes also with an included front aaaaand a backcap” – Es wird sogar mit einem Front- uuuund einem Rückdeckel geliefert.)
Also steigen wir ein.
Hier sind ein paar Zitate aus den Videos:
ZITATE #1 –> The Radian Raptor is different than all the other options out there
–> I designed the style, the name and of course the specs.
–> It comes with everything you’ll need
Trevor/Astrobackyard
– Ich habe nicht nur den Style und den Namen designt, sondern selbstverständlich auch die Spezifikationen*
– Es kommt mit allem notwendigen Zubehör
*Duden: “Technische Vorgaben, nach denen etwas produziert werden soll”. Hier: Das technische und optische Design.
–> The Radian Raptor is an epic experience.
–> It is a package that comes with everything you need.
OPT– Der Radian Raptor ist ein episches Erlebnis.
– Es ist ein Paket, das mit allem geliefert wird, das Du benötigst.
Zuerst mal ein Fun Fact:
Der Name “Radian Raptor” ist seit vielen Jahren der Name eines Teils, das benötigt wird, um automatische Waffen (AK-15 und ähnliche) zu laden.
Es ist offenbar (denn es gibt sehr viele Youtube-Videos dazu) sehr beliebt und wird eben als “Radian Raptor” von einem US-Waffenhersteller namens Radian hergestellt. “Raptor” ist wie auch “Radian” eine eingetragene Handelsmarke ™.
Gibt man Radian Raptor in eine Suchmaschine ein (Cookies vorher löschen!), so erscheint auf der ersten Ergebnisseite kein einziges Mal das Radian Raptor Teleskop, sondern nur dieses Hilfs-Bauteil für Maschinengewehre.
Soviel zu Trevors “Ich habe den Namen designt”.
Es gibt Dutzende unterschiedliche Radian Raptors. Also unzählige verschiedene Größen und Designs dieser Ladegriffe. Persönlich gefällt mir allerdings der “Competition Raptor” am Besten.
Ich glaube es liegt daran, dass er in einem matten Schwarz gehalten ist und wunderschöne rote Applikationen aufweist.
Vielleicht habe ich aber auch einfach zu oft das Werbevideo von Trevor/Astrobackyard gesehen. Trevor wörtlich:
I said that it has to be black with shiny red applications, like one of these canon L-series lenses.
Aber das ist nur eine witzige Anekdote. Der Name ist ja nicht wirklich wichtig.
Allerdings – und das ist dann eben schon wichtig – kommt der Radian Raptor nicht mit allem Zubehör.
Zwei Bauteile, die bei allen anderen dabei sind, fehlen:
1. Das visuelle Rückteil fehlt.
Es wird aber von OPT als “schwer für den Kauf empfohlenes Killer-Upgrade” in dem Werbevideo des Raptors angepriesen. (Sie wissen ja, dass es fehlt.) Für schlappe 40.- Dollar gibt es das dazu. (Beim TS, beim Omegon, beim Sharpstar… also bei allen anderen ist es selbstverständlich dabei.)
2. Ein Schuh, um einen Autoguider zu befestigen, fehlt ebenso.
Trevor weiß, dass so ein Guidingschuh sehr wichtig ist. Und auch, dass er fehlt.
Darum behauptet er einfach, dass er dabei wäre, indem er seinen eigenen Guiderschuh von William Optics in die Kamera hält (siehe unten).
Ausgerechnet bei dem teuersten der baugleichen Teleskope fehlen zwei Bauteile, die immer dabei sind: Der Radian Raptor. Bei dem Teleskop, das “anders ist als alle anderen auf dem Markt” und das “mit allem” geliefert wird: Der Radian Raptor.
Das wichtigste aber ist:
Trevor hat nichts designt. Er ist der Werbeträger.
Der Radian Raptor ist ein simples OEM-Produkt, ein Teleskop, das es so 100% identisch bereits gibt.
Trevor mag bei der Farbwahl des Gehäuses und des Namens mitgeredet haben, aber das war es dann auch schon.
Er hat auf keinen Fall “die Spezifikationen”, also die optischen und technischen Bestandteile oder deren Ausführung, designt. Nicht einen winzigen Anteil hat er daran. Er hat nichts damit zu schaffen.
Dennoch behauptet er es und das mehr als nur einmal. (Siehe unten beim Fokusser oder dem Rotator.)
ZITATE #2 –> Something I was adamant in the design was the focuser, so it’s very accurate and very stabile. –> It can be fixed and secured with this screw –> This is the rotator
(Als ich den Fokuser designed habe, war ich absolut unnachgiebig! Darum ist er so genau und gleichzeitig so sicher”)
(“Der Fokusser wird mit dieser Schraube fixiert und gesichert”)
(“Das hier ist der Rotator”)
Trevor/Astrobackyard
Diese drei Stellen zeigen überdeutlich, dass Trevor nicht designt hat.
Warum?
1. Ist der Fokusser (bei dem Trevor im Design so unnachgiebig war, damit er auch wirklich gut ist) nicht nur zu 100% baugleich zu den anderen Teleskopen (Sharpstar und Co.).
Er ist auch noch baugleich zu weiteren Teleskopen (andere Brennweiten) desselben Herstellers. Es ist einfach der 0815-Fokusser, den der Hersteller immer verbaut.
2. Genau dasselbe gilt für den Rotator.
3. Trevor hat absolut keine Ahnung von den Bauteilen.
Er zeigt auf eine völlig falsche Schraube und behauptet: “Das ist die Schraube, um den Fokusser zu fixieren”. (Während im Werbevideo von OPT die richtige Schraube beschrieben und in Nahaufnahme erklärt wird.)
Er zeigt auf den Flattener und behauptet: “Das ist der Rotator.”
Er kann also bei einem Teleskop, dass er 6 Monate lang unnachgiebig (adamant) designt hat (laut eigener Aussage die Spezifikationen, also die technischen und optischen Vorgaben und speziell auch den Fokusser) und mehrere Wochen lang ausgiebig in seinem Garten getestet hat, wichtige Bauteile nicht benennen!
Ganz offensichtlich hat er den echten Rotator nicht einmal entdeckt und den Fokus niemals geklemmt.
Sein Video vermittelt den Eindruck, dass er es aufgezeichnet hat, direkt als er den Raptor das erste Mal in der Hand hielt.
Andernfalls hätte er nach 6 Monaten Design und Wochen im Außeneinsatz einfach rausfinden müssen, wofür welches Bauteil (die ja er designt hat) zuständig ist.
All diese Bauteile sind keine Besonderheiten, sondern genau so bei vielen anderen Teleskopen zu finden. Und sie sind absolut selbsterklärend, wenn man das Teleskop auch nur ein einziges Mal genutzt hat!
Ich frage mich wirklich, wie jemand, der angeblich sowohl ein Teleskop designt als es auch mehrere Wochen genutzt hat, den Flattener mit dem Rotator verwechselt und auch noch die Feststellschraube des Fokus’ nicht kennt. (Den Fokus, den er so ‘unnachgiebig’ designt hat.)
Hat er niemals den Fokus geklemmt? Hat er niemals den echten Rotator genutzt? Hat er niemals ausprobiert, wofür die zwei unterschiedlichen Schrauben oben und unten vorgesehen sind? Während mehrerer Wochen Nutzung (“I used the Raptor the past 3 weeks”)? Während eines Designprozesses, der ihn 6 Monate gekostet hat (“which took me 6 month”).
Abgesehen von der angeblichen Nutzungsdauer hätte er es als Designer doch auch ganz ohne Praxiserfahrung wissen müssen, welche Bauteile vorhanden sind und wie sie genutzt werden.
Gerade beim Fokusser, den er so “unnachgiebig designt” hat.
Ich glaube Trevor schlichtweg kein Wort und bin sicher, dass er das Video ohne jede Praxiserfahrung gedreht hat – als plattes und leider auch sehr fehlerreiches Werbevideo.
Womit wir zur nächsten Aussage kommen:
ZITATE #3
–> You will appreciate, that your raptor will be delivered with many additional parts, that I dont have on that prototype
(“Du wirst es sicherlich sehr zu schätzen wissen, dass Dein Raptor mit vielen weitern Zubehörteilen geliefert wird, die ich bei meinem Prototypen nicht habe.”)
Trevor/Astrobackyard
Nein, mein Radian Raptor, den ich über 6 Monate später gekauft habe, hat nicht eine einzige Schraube, nicht mal ein Staubkorn extra.
Und nein, mein Radian Raptor ist auch nicht einen Millimeter anders als Trevors angeblicher Prototyp.
Und:
Mein Radian Raptor ist auch absolut identisch zu meinem O61 und zum Sharpstar.
Und daher behaupte ich: Trevor hat keinen (technisch-optischen) Prototypen, da es keinen Prototypen gab. Der Radian Raptor ist schließlich nur ein schwarz angemaltes OEM-Teleskop, das nicht neu ist, sondern nur eine neue Farbe bekommen hat.
Ein bereits existentes Teleskop benötigt keinen Prototypen.
Und darum ist zwischen dem Teleskop, das Trevor als angeblichen Prototypen in die Kamera hält und dem, das ich Monate später gekauft habe, absolut kein Unterschied zu erkennen.
ZITATE #4
–> I said that it has to be black with shiny red applications, like one of these canon L-series lenses.
(“Ich habe bestimmt, dass es schwarz sein soll, mit leuchtend roten Applikationen. Ganz so, wie diese Canon L-Objektive”)
Trevor/Astrobackyard
Die “shiny red applications”, also die roten Ringe sind der Standard bei all diesen Teleskopen. Jedes RJ-Teleskop, egal welcher Markenname da drauf steht, hat genau diese roten Ringe. Und das seit vielen Jahren. Ich selber habe vor über 3 Jahren eines dieser Geräte gekauft – natürlich mit den roten Ringen!
Trevor hat da überhaupt nichts designt. Die roten Ringe sind der 0815-Standard.
Wie kommt er nur dazu, die roten Ringe explizit anzusprechen und es so darzustellen, als wäre es sein Design? Wo doch wirklich jeder, der sich ein bisschen auskennt, weiß, dass die roten Ringe der ‘Normalzustand’ sind.
Bei jeder anderen Farbe, die vom 0815-Standard abweicht, hätte ich es Trevor abgenommen, dass er ‘designt’ hat. Aber so?
Hätte er mal besser nichts gesagt!
Es ist ja nett, dass es so aussehen soll, wie die hochwertigen Canon L-Objektive. Ein lichtstarkes Canon 300 mm f2.8 kostet aber nicht umsonst 6000.- Euro.
Trevor mag aber wohl den schönen (roten) Schein: “Shiny red applications”.
Auch die nächste Aussage trieft vor Verlogenheit:
ZITATE #5
–> It has to be easy to mount and easy to mount a guidescope
(“Es muss einfach auf einer Montierung zu befestigen sein und ein Guidingscope muss einfach anzubringen sein”)
Trevor/Astrobackyard
Ja – ein Guidingscope sollte tatsächlich einfach zu montieren sein. Trevor weiß das, darum sagt er es auch, als Werbeargument für den Raptor.
Normalerweise ist das auch der Fall, denn alle diese 61/274 Teleskope liefern einen Guidingschuh mit, in den der Guider geklemmt werden kann.
Alle!
Nur der Raptor nicht.
Der Raptor, der “mit allem geliefert wird, was man braucht, um sofort zu starten”. Ausgerechnet beim teuersten dieser baugleichen Teleskope, ausgerechnet bei dem, bei dem “alles dabei ist”, fehlt so ein wichtiges Bauteil?
Trevor weiß auch das. Er weiß, dass eine Möglichkeit, den Guider zu montieren, wichtig ist.
Darum sagt er es auch: “Ein Guider muss einfach anzubringen sein”.
Nur ist in dem gesamten Video kein Guidingschuh zu sehen. Denn es wird keiner mitgeliefert.
In dem gesamten Video? Fast. Genau einmal kann man dann plötzlich einen Guidingschuh sehen, der wie von Zauberhand – schwupps – auf dem Raptor sitzt:
Zu sehen ist er genau an der einen Stelle, an der Trevor behauptet, dass es einfach sein muss, den Guider anzubringen.
Da hat er nämlich auf den Raptor einen Williams Optics Guidingschuh geschraubt (der allerdings nicht so richtig passt, was Trevor aber geschickt mit einer Hand vor der Kamera verdeckt).
Man muss sich das mal vor Augen führen und ganz bewusst durchdenken:
Ein Guidingschuh wird nicht mitgeliefert – gleichzeitig wird behauptet, die Montage eines Guiders müsse einfach sein. (Und natürlich, dass “alles mitgeliefert wird”.)
Und um das zu untermauern, wird ein fremdes Bauteil in die Kamera gehalten, ein Bauteil, das nicht mal richtig passt.
Trevor lügt also in vollem Bewusstsein und präsentiert in dem Video einen fremden Guidingschuh, um seine Lüge zu untermauern! Das ist an Dreistigkeit kaum noch zu toppen.
Tatsächlich ist es ohne den üblichen Schuh natürlich schon irgendwie möglich, ein Guidingscope zu montieren – nur absolut nicht “easy to mount”. Ganz im Gegenteil, man muss basteln und Zubehör kaufen.
(Die zwei (ja zwei!) Guidingschuhe, die ich beim ersten Einsatz dabei hatte, haben beide nicht auf die Rohrschellen gepasst! Die Schellen sind nämlich so schmal, dass da kein gängiger Sucherschuh zu befestigen ist. Mit verschiedenen Schrauben, Beilagscheiben und einer zusätzlichen Klemmplatte habe ich dann aber draußen in den Bergen doch etwas hinfummeln können.)
Im Cloudy-nights Astroforum finden sich einige Fragen dazu und es gibt sogar ein Youtube-Video als Hilfestellung:
Der Raptor ist also meilenweit davon entfernt, alles mitzuliefern, was man braucht. Obwohl sowohl Trevor als auch das OPT-Video genau das extra als Kaufargument herausstellen!
“It comes with everything you’ll need”
ZITATE #6
–> I designed the telescope and I said: The flattener has to be built in
(“Ich habe das Teleskop designed und bestimmt: Der Flattener muss fest verbaut sein”)
Trevor/Astrobackyard
–> We have included a matching flattener/reducer for fullframe-sensors, that ensures pinpoint stars from corner to corner. You don’t have to care about that. Why? Well, we did this for you.
(“Wir haben einen Flattener/Reducer verbaut, der auch an Vollformatsensoren sicherstellt, dass Du von Ecke zu Ecke perfekte stecknadelfeine Sterne erhältst. Du musst Dich darum nicht mehr kümmern. Warum? Naja, eben weil wir das für Dich gemacht haben.”)
OPT
Im ersten Moment dachte ich, dass der Flattener tatsächlich ein fest verbautes Element des Teleskops sei.
Schließlich sagt Trevor: “built in”.
Und: Ich habe ein anderes Teleskop des Herstellers, bei dem genau das der Fall ist: Der Flattener ist nicht zu entfernen, sondern fix hinter den Linsengruppen inkludiert (so wie bei jedem Fotoobjektiv).
Daher dachte ich im ersten Moment auch, dass der Raptor doch optisch anders gebaut sei als die anderen (tatsächlich identischen) Teleskope.
(Neben der angeblichen 275 mm Brennweite, war der angeblich fest verbaute Flattener das zweite Bauteil, das mich anfangs kurz glauben ließ, der Raptor könnte doch ein ganz eigenes Teleskop sein.)
Die Wahrheit ist:
Er ist nicht fest verbaut. Es ist einfach derselbe aufschraubbare Flattener, wie bei allen anderen. 100% identisch und (ich habe es ausprobiert) austauschbar.
Auch die andere Aussage stimmt nicht:
Der Flattener erzeugt keinesfalls “pinpoint”, also stecknadelfeine Sterne an den Rändern. Selbstverständlich sind die Sterne an den Rändern in den Ecken verzerrt und weisen deutliches Coma und chromatische Aberrationen auf.
Fazit:
Das ist nur eine sehr kleine Auswahl der Aussagen, die Trevor und OPT in ihren Werbevideos treffen. Es gibt da noch viel, viel mehr. Viele weitere Aussagen, die nicht stimmen, teils echte Lügen.
Wirklich alle der 0815-Bauteile, die der Hersteller immer mitliefert, werden als etwas besonderes dargestellt; als etwas, das Trevor designt hat oder das OPT ganz speziell für uns, die Kunden, entwickelt hat.
Wie gesagt: Sogar die Deckel des Teleskops werden so als etwas besonderes beworben!
Dazu werden lächerliche Gimmicks mitgeliefert:
Ein ach so großartiger Aufkleber (Werbespruch: “Du kannst ihn einfach vom Trägerpapier abziehen und irgendwo hinkleben”), ein Brillenputztuch (“high quality”) und ein DIN A4-Bild der Mondphasen von 2021. Und oben drauf ein 20$ Gutschein für den nächsten Einkauf bei OPT (“ein großartiger Weg, um noch mehr Geld zu sparen!”).
Evtl. sollte man den 20.- Dollar Gutschein nutzen, um für 40.- Dollar das eigentlich immer mitgelieferte “dringend empfohlene Killer-Upgrade“, das visuelle Rückteil, zu kaufen? Oder doch einen Guiderschuh, damit Trevors Aussage, “ein Guidescope muss einfach zu befestigen sein“, Realität werden kann?
Ach ja – ein Rucksack ist auch noch dabei, in den man seinen Laptop verstauen kann. Also theoretisch. (“You can put your laptop in here”.)
Dummerweise ist der Rucksack so winzig, dass keiner meiner Laptops auch nur annähernd reinpasst. Und auch ein 12 Zoll Thinkbook von 2010, das ich hier noch rumliegen habe, ist zu groß. All das habe ich in einem Video ausführlich dargestellt. In über einer Stunde zerlege ich da beinahe jede einzelne der Falschaussagen von Trevor und OPT. Ich weise Stück für Stück nach, dass der Raptor ein einfacher, aber überteuerter Klon ist, dem obendrein noch wichtige Standard-Bauteile fehlen.
Und ich zeige die Stellen auf, in denen Trevor seine Unkenntnis über sein selbst designtes Teleskop präsentiert, in denen er zeigt, dass ihm relevante Bauteile gänzlich unbekannt sind.
Allerdings ist das Video vollständig auf Englisch.
In Summe und mit einem Satz:
Der Radian Raptor ist ein extrem überteuerter Fake-Klon, der leichtgläubigen Kunden mit einer schamlosen Werbe-Influencer-Kampagne und mit Falschaussagen schmackhaft gemacht werden soll, wobei Trevor den glaubwürdigen Designer schauspielert.
Jetzt verstehst Du vielleicht auch, warum ich den Radian Raptor unbedingt selber testen wollte:
All das, was ich hier nun aufgelistet habe, ändert nichts an der Qualität des Raptors. Sie ist wie sie ist.
Aber all das erzeugt bei mir eine große Abneigung, einen Widerwillen und das ganz starke Gefühl: Da will mich wer verarschen, sich bereichern und gemeinsam mit einem erfolgreichen Influencer etwas “ach so neues” unter Vorspiegelung falscher Tatsachen auf den Markt bringen.
Ich habe viele unehrliche Werbekampagnen erlebt, aber diese hier ist schon besonders dreist.
Darüber hinaus:
Ich finde es nicht nur empörend, sondern auch traurig.
Trevor/Astrobackyard hat sich immer bemüht, Anfänger zu motivieren, er wirkt wie “der große Astrokumpel”, der hilfreiche Tipps gibt, sympathisch und echt.
Doch dann muss ich sehen, wie er über ein Teleskop redet, dass er angeblich designt und ausführlich genutzt hat. Und gleichzeitig erkennen, dass er vollkommen ahnungslos ist, dass er das Gerät nicht kennt, dass er nicht mal die Bauteile richtig benennen kann. Ich muss feststellen, dass er die Unwahrheit sagt.
Ein bisschen übertreiben? Ok. Nachteile nicht herausstellen und Vorteile besonders betonen? Auch ok, sogar total normal. Bisschen Werbung, bisschen Hype? Auch das wäre ok; so funktioniert unsere Welt und ich kann das deuten und einordnen.
Aber so? Das ist (vor allem auch die Nummer mit dem Guidingschuh) einfach falsch. Trevor verliert – und das ist das traurige – damit vollkommen seine Glaubwürdigkeit.
Nach dem Raptor folgten weitere Teleskope, die er ‘getestet’ hat, bevor er sie mit Lob überschüttete. Ein schnelles Foto aus einer Nacht ist kein Test. Aber es scheint ausreichend zu sein, um die Kunden zufriedenzustellen.
Mich nicht!
Für mich hat er mit dieser Nummer leider seine Glaubwürdigkeit verloren und ich betrachte seine Videos nun mit ganz anderen Augen. Leider.
Hast Du nun immer noch Interesse an diesem Teleskop und willst wissen, wie gut es live am Stern ist?
Einfache Antwort: Schon ganz gut, recht solide und eben genau so, wie man es von diesen Massenteleskopen erwarten kann.
Die Abbildungsleistung entspricht eben einem 700.- Euro Teleskop und nicht einem 7000.- Euro Teleskop. Und das ist absolut in Ordnung!
Teil 2 – Der Raptor und der Test live am Stern
Nach einigen Worten zum Teleskop selber und dessen Handhabung zeige ich im Folgenden nun einige Bilder. Sowohl fertig entwickelte, aber auch Rohbilder und Ausschnitte aus beiden.
Viel Text gibt es dazu nicht, denn die Bilder sprechen für sich.
Verarbeitungqualität und Handhabung
Zur Verarbeitungsqualität, zum technischen und optischen Aufbau und zur Handhabung live in der Nacht lässt sich nichts negatives sagen.
Das Teleskop verhält sich in der Anwendung so, wie alle anderen dieses Herstellers:
Nämlich gut. Oder sogar sehr gut. (Je nach Sichtweise, dem persönlichen Anspruch und in Anbetracht des realistischen Handelswerts von deutlich unter 1000.- Euro.)
Ich habe nicht umsonst mehrere dieses Herstellers und war mit der Handhabung immer sehr zufrieden.
Das ist wichtig:
Ich kritisiere die Werbekampagne und das Drumherum. Das Teleskop selber nicht. Das ist wirklich guter Standard.
Es lässt sich prima auf einer Montierung befestigen, der Anschluss einer Kamera per Verschraubung ist einfach und da verkippt auch nichts.
Der Rotator ist hilfreich, der Fokuser arbeitet prima und erlaubt zuverlässig und dauerhaft, die perfekte Schärfe zu finden.
(Man kann ihn auch festklemmen. Also wenn man die richtige Schraube dafür findet. 😉 )
Da das Teleskop relativ klein und leicht ist, kann es problemlos auf einem Astrotracker wie dem Star Adventurer oder dem iOptron Skyguider eingesetzt werden. Ich habe es sogar testweise erfolgreich auf dem Omegon LX4 genutzt.
Die gesamte Handhabung ist also, wie zu erwarten, genauso praktisch und intuitiv wie bei den baugleichen und anderen Modellen dieses Herstellers.
Die Bauteile sind schließlich dieselben und auch nicht besser gefertigt. Ein höherer Standard in der Qualitätskontrolle, also feinere Gewinde, bessere Abstände etc. lässt sich nicht feststellen.
Der fehlende Schuh für einen Autoguider muss eben irgendwie gefixt werden und bei den mitgelieferten Rohrschellen muss man aufpassen:
Wenn man unglücklich dran hängen bleibt, so öffnen sie sich von alleine, da sie nicht verschraubt sind.
Der mitgelieferte Aufkleber klebt, der Rucksack ist zu klein für meine Laptops, und das mitgelieferte Brillenputztuch ist genauso ‘high quality’ wie die Microfasertücher, die in meiner Küche hängen… Im Prinzip alles recht anwenderfreundlich.
(Erfahrung im Abziehen des Trägerpapiers von einem Aufkleber und das Wissen um die Einsatzmöglichkeiten von Microfasertüchern setze ich mal als gegeben voraus.)
Nachdem am Teleskop selber alles bekannt, gleich und guter Standard ist, bleibt zuletzt noch die Abbildungsqualität. Wäre die herausragend gut und deutlich besser als bei anderen Geräten, so wäre ein Aufpreis möglicherweise gerechtfertigt.
Die Testbilder
Vorweg:
– Alle Testbilder wurden mit einer Canon 6Da aufgenommen. Eines habe ich für Vergleichszwecke auch mit einer nicht modifizierten Canon 6D gemacht. (–> Es gibt keinen Unterschied in der Abbildung, vollkommen egal, ob die Kamera modifiziert ist oder nicht.)
– Bei allen Aufnahmen befanden sich zwei Teleskope mit zwei identischen Kameras auf einer gemeinsamen Montierung. So haben beide Kameras denselben Himmel, zur selben Zeit, am selben Ort, mit demselben Guiding fotografiert.
Genaueres zu den Aufnahmebedingungen findet sich im Vergleichsartikel Radian Raptor R61 vs. O61.
Hier zeige ich vor allem die Bilder des Raptors.
Besonders interessant finde ich dabei die Randbereiche. Denn laut OPT gibt es schließlich “pinpoint stars from corner to corner“, also die beworbenen runden Sterne von Ecke zu Ecke.
Leider ist das nicht mal im Ansatz der Fall! Die Sterne sind auf keinem Bild, aus keiner Nacht und in keiner Ecke richtig rund, geschweige denn stecknadelfein.
Sie zeigen längliche Verzerrungen, dreieckige Stauchungen (Coma) und deutliche Farbverschiebungen (chromatische Aberrationen).
Möglicherweise könnte man das mit winzigen Abstandsringen verbessern.
Das habe ich aber mit Absicht nicht versucht.
Und zwar aus folgendem Grund:
“Ich war streng im Design: Der Flattener muss einfach absolut passen. Perfekt passende 55 mm Arbeitsabstand. Ich habe keine Lust, noch passende Abstandsringe suchen zu müssen.”
Er ergänzt noch:“Nur bei Vollformat-Kameras finden sich gaaaaaanz außen, in den letzten Ecken gaaaaanz leicht in die Länge gezogene Sterne. Aber nur ganz gering. Das betrifft vielleicht 5% des Bildes und lässt sich einfach wegschneiden. An kleineren Sensoren gibt es das nicht, da sind die Sterne wirklich bis in die letzte Ecke perfekt.”
Und OPT sagt:“Manche Nutzer haben Probleme, den richtigen Arbeitsabstand zu finden. Darum müsst Ihr Euch nicht kümmern. Wir haben für Euch den perfekten passenden Flattener verbaut, der stecknadelfeine Sterne von Ecke zu Ecke garantiert.”
(“The perfect flattener with 55 mm backspacing that ensures pinpoint stars from corner to corner”)An genau diesen Aussagen muss sich der Radian Raptor messen lassen. Eine richtig gute Abbildungsleistung wäre das mindeste.
Doch wie zu erwarten war, gelingt das diesem Teleskop nicht mal im Ansatz.
In der Realität live am Stern zeigt sich:
Das Teleskop bildet so ab, wie diese Massenteleskope eben abbilden: Geringfügig verzogene Sterne an den Rändern gehören da nun mal dazu.
Dabei ist mein Exemplar eher am unteren Ende der Skala anzusiedeln. Etwas mehr kann man schon erwarten, die Verzerrungen sind tatsächlich übermäßig stark ausgeprägt. Der Raptor ist von den vier Stück, die ich von dem Hersteller (Jiaxing Optics) habe, das schwächste.
Das folgende Bild aus dem bereits angesprochenen vergleichenden Test zeigt das und untermauert die Aussage: “Etwas mehr kann man schon erwarten”. Zu sehen ist derselbe Ausschnitt einer Bildecke. Die Sterne des Radian Raptors R61 sind deutlich aufgeblasener und weit entfernt von “stecknadelfein”.
(Das ist natürlich nur ein Beispiel. Ein extremes, allerdings ebenso ein repräsentatives. Weitere in dem anderen Artikel.)
Aber nochmal: Echte Perfektion darf man nicht erwarten. Von der Illusion, mit einem Apo für unter 1000.- die perfekte Abbildungsleistung zu erhalten, muss man sich, gerade als Einsteiger, trennen. (Das gilt auch für den Raptor, obwohl er 1350.- kostet. Wert ist er nur 800.-)
Grundsätzlich ist bei günstigen Teleskopen eine geringe Verzerrung in den Ecken schon in Ordnung und auch kein größeres Problem.
Man bekommt, was man bezahlt. (Eigentlich.)
Nicht in Ordnung sind hingegen die Werbeaussagen. In Kombination mit dem aufgerufenen Preis erst recht nicht.
Hier stimmen die Behauptungen von Trevor und OPT und die Erwartungshaltung, die sie erzeugen, absolut nicht mit der Realität überein.
Beispiel #1 – Cirrus-Nebel
Der Cirrusnebel erschien als Testobjekt gut geeignet. Nicht der Nebel selber, sondern die hohe Anzahl an Sternen in direkter Nachbarschaft zur Milchstraße.
Klar – eigentlich hätte jede beliebige sternenreiche Region diesen Zweck erfüllt, aber so hatte ich ein hübsches Objekt und ein weites Sternfeld.
Einzelbild – 120 Sekunden – Roh, Weißabgleich in Lightroom angepasst.
Klick die Bilder an und betrachte sie.
–> Stecknadelfeine Sterne bis in die Ecken (OPT)! Ernsthaft?
–> Nur in den äußersten Ecken, maximal 5% des Bildfeldes zeigen gaaaaanz sanfte Verzerrungen (Trevor). Echt?
Hier das (ganz simpel und rudimentär) entwickelte Bild aus PixInsight.
Selbstverständlich könnte man die Daten besser entwickeln, was ich aber zuliebe der Vergleichbarkeit im Vergleichsartikel unterlassen haben.
Da ich vergleichen wollte, habe ich keine individuellen Entwicklungen vorgenommen, sodass hier beispielsweise dieser heftige Gradient sichtbar bleibt.
Schaut man das Bild jedoch unvoreingenommen an und fokussiert sich vor allem auf die eigentlichen Daten, so erkennt man: Ja, die Abbildungsleistung im größten Teil des Bildfeldes ist prima.
Wie gesagt: An sich ist der R61 schon ein ordentliches Teleskop.
Beispiel #2 – Adler und Omega
Adler und Omega habe ich gewählt, da es (wie auch der Cirrusnebel) sicherlich zu den beliebtesten Top20 gerade für Anfänger zählt.
Außerdem ist so ein weites Feld inmitten der Milchstraße auch einfach schön:
Die beiden Nebel sind umgeben von hellen Sternenfeldern und interessanten dunklen Strukturen, also interstellarer Materiewolken, die den Blick auf die dahinter liegenden Sterne der Milchstraße blocken.
Ebenso ein Einzelbild, ebenso 120 Sekunden und gleichfalls roh, abgesehen von dem in Lightroom eingestellten Weißabgleich.
Beispiel #3 – Sh – 131 (mit IC1396A)
3 Stunden Belichtungszeit sind wahrlich nicht viel. Aber eine heiße Sommernacht im Juli ließ nicht mehr zu.
Daher sieht das schon recht heftig entwickelte Bild auch so aus wie es ausschaut: Recht extrem und rauschig. Aber für den Test dennoch gut genug.
So sah das Bild nach der Entwicklung in PixInsight aus:
Hier noch eine deutlich übertriebenere Version, nach weiteren Kontraststeigerungen und Farbverstärkungen in Photoshop:
(Ja, das ist übertrieben entwickelt, ganz klar. Aber ich hatte Spaß dabei. Das sind schließlich nur knappe 3 Stunden aus einer kurzen Sommernacht. Ohne Filter, bei mittelmäßigem Himmel in Italien und Sensortemperaturen von über 35°.)
Achte vor allem auf die Ecken in der Vollbild-Ansicht und suche die ‘perfekten Sterne’.
Hier im Rohbild aus Lightroom (Farbtemperatur angepasst):
Beispiel #4 Pferdekopf im Skorpion
Der Pferdekopf im Skorpion ist ein wunderschöner Reflexionsnebel, der so groß ist, dass er das ideale Ziel für ein Widefield-Telskop wie den Radian Raptor darstellt.
Auch hier wieder ein paar Bilder. Viel mehr gibt es wieder im Vergleichsartikel.
Hier zunächst das gestackte Bild, gefolgt von dem fertig entwickelten.
Viel Belichtungszeit ist da nicht eingeflossen.
Du wirst einerseits sicherlich erkennen, dass der Raptor ordentlich abbildet.
Dir wird aber auch auffallen, vor allem im Vollbild, wie sehr sich die einzelnen Ecken unterscheiden und dass keine einzige die versprochenen ‘pinpoint stars’ aufweisen kann.
Hier im Rohbild aus Lightroom (Farbtemperatur angepasst):
Extra: Nicht modifizierte Kamera
Nur um sicher zu gehen, dass die Verzerrungen nicht die Folge der Astromodifikaton sind, habe ich meine Tageslichtkamera (eine normale 6D) an den Raptor geschraubt und eine kleine Bildserie geknipst.
Hier wird deutlich, dass die ‘unschönen Randsterne’ auch bei dieser Kamera zu sehen sind:
(Wenn Du das längliche Staubkorn unten links als Referenz nimmst, so wirst Du sehen, dass meine Bildausschnitte nicht nur die äußersten Ecken zeigen, sondern einen recht großen Bildbereich abdecken. Die verzogenen Sterne reichen also recht weit in das Feld hinein.)
Fazit zur Abbildungsqualität
Das Fazit zu den Bildern, zur Abbildungsqualität des Radian Raptors könnte eigentlich gut ausfallen.
Denn objektiv betrachtet bildet es nicht schlecht ab – zumindest über den größten Teil des Bildfeldes und eben so, wie man es bei einem Teleskop im Wert von unter 1000.- Euro erwarten kann.
Insgesamt ist das ordentlich bis recht gut – die Sterne in den Ecken sind eben wie sie sind.
Aber, ein sehr großes ABER:
Man muss diese Abbildungsleistung einfach in Relation zum Preis im Vergleich zu anderen baugleichen oder fast baugleichen Teleskopen sehen.
Und man muss die Abbildungsleistung unter der Berücksichtigung der vollmundigen Werbeversprechungen betrachten.
Und macht man das, so kann man nur sagen:
– Der Preis ist viel zu hoch
– Die Werbeaussagen werden nicht eingehalten.
Das Fazit aus der Kombination dieser beiden Feststellungen kann also nur lauten:
Finger weg vom Radian Raptor!
An dieser Stelle möchte ich Dich gerne erneut auf meinen Vergleichstest verweisen.
Damit kann ich auch gleich noch meine Behauptung aus dem Fazit, “man muss die Abbildungsleistung mit fast baugleichen Teleskopen vergleichen”, untermauern.
Und zwar mit den folgenden Bildern.
Sie wurden fotografiert mit einem 750.- Euro Dublet auf der einen Seite und mit dem Radian Raptor auf der anderen.
Das sind gestackte Bilder, bei denen nur eine photometrische Farbkalibrierung durchgeführt wurde. Abgesehen davon sind sie roh und unbearbeitet.
Der helle Stern ist der Granatstern im Nebelgebiet Sharpless 131 (der große rote Nebel im Sternbild Kepheus, der auch die Globule IC1396A, bekannt als Elefantenrüssel, enthält.)
Finales Fazit aller Faktoren
Alle Aussagen von Trevor und OPT suggerieren, dass der Raptor etwas ganz tolles und neues wäre. Und dass er anders wäre als andere. Und dass Trevor ihn entworfen hätte. Und auch, dass es ein vollständiges Gerät wäre, bei dem alles inkludiert wäre (was bei anderen Teleskopen im Umkehrschluss nicht so wäre).
Sind wir doch mal ehrlich:
Jeder Einäugige sieht, dass der Raptor aus derselben Fabrik kommt: Dieselben Baumaße, dieselben roten Applikationen, der identische Flattener, Fokusser, Rotator… Alle Schrauben an derselben Stelle.
Und genauso verhält es sich mit der Abbildungsleistung. Nichts daran ist ‘episch’.
Und ist man ebenfalls ehrlich, so erkennt man, dass der EDPH 61 absolut identisch ist.
Sharpstar und Radian kommen aus der identischen Fabrik. OPT lässt halt schwarz lackieren, den Flattener von einem dressierten Affen anschrauben und diese ‘überschicken’ Rohrschellen mitliefern. Dafür fehlt halt der Sucherschuh und das visuelle Rückteil.
Fancy Rohrschellen brauche ich nicht; schon gar nicht, wenn sie sich mit etwas Pech aus Versehen öffnen. Einen Sucherschuh hingegen brauche ich schon!
Der ‘epische’ Raptor ist ein ganz normales durchschnittliches Teleskop, von dem es mehr oder weniger dutzende gibt.
Ein Gerät, das per Baukastenprinzip aus dem Katalog des asiatischen Herstellers zusammengesetzt wurde und das ganz normale Eigenschaften aufweist.
Und zuletzt ein Teleskop, das auch nicht mehr kann oder mehr Zubehör hat, als andere Teleskope. Eher weniger: Denn der wichtige Sucherschuh und das Rückteil fehlen.
Ernsthaft. Dafür musst Du keine 1355.- Euro ausgeben. Das identische Teil bekommst Du günstiger: Nämlich hier für 899.- (oder 849.-).
Ohne Tasche, ohne Aufkleber. Und in einem langweiligen Weiß, nicht in Matt-Schwarz.
Aber dafür mit einem Sucherschuh+visuellem Rückteil. Und selbstverständlich mit einer verschraubbaren Rohrschelle. Und natürlich auch mit dem passenden (baugleichen) Flattener/Reducer.
Ich sehe das so:
Wenn dieses Teleskop, der Radian Raptor, einfach so auf den Markt gekommen wäre, wenn es nicht mit so haltlosen Übertreibungen und platten Lügen in einer Influenzer-Kampagne gehypt worden wäre und wenn der Preis angemessener wäre, so könnte man sagen:
“Ein gutes, solides Teleskop mit einer Abbildungsqualität, die absolut in Ordnung geht. Hier bekommt man ein tolles und schick anzusehendes Widefield-Teleskop. Klarer Kauftipp!”
Wenn hingegen – mal von der anderen Seite aus gedacht – das Teleskop eine überragende Abbildungsleistung erbringen würde, wäre der Preis evtl. auch angemessen. Dann könnte man sagen:
“Das kostet einiges, aber man bekommt auch etwas für sein Geld.”
Doch all das ist Theorie und all diese “Was-wäre-wenn-Überlegungen” sind hinfällig!
Daher muss man in Anbetracht des Vierecks aus
“sehr hoher Preis” – “gibt es baugleich günstiger” – “wird mit Falschaussagen beworben – bildet auch nicht besser ab” einfach deutlich von einem Kauf abraten!
Klar, an sich bekommt man eben das, was man bekommt: Ein solides Widefield-Teleskop. Nur bekommt man für deutlich weniger Geld etwas identisches vom selben Hersteller. Oder für das gleiche Geld (sogar etwas günstiger!) etwas deutlich besseres; ebenfalls vom selben Hersteller:
Ebenfalls ein f4.5 Triplet-Apo. Allerdings mit 76 statt 61 mm Öffnung und mit 342 statt 274 mm Brennweite.
Mach Dir das bitte klar, bevor Du Dich für den Radian Raptor entscheidest:
Das Teleskop hat seine inneren Werte und die Abbildungsleistung, die es eben hat.
Aber Du kaufst hier kein einzigartiges, außergewöhnliches Gerät.
Du kaufst keines des Herstellers OPT/Radian. Das ist kein Hersteller, sondern ein Händler und dessen Handelsmarke (was wie oben gesagt echt ok und normal ist).
Und Du kaufst kein Gerät, dass sich Trevor ausgedacht oder designt hat!
Also:
Kauftipp? Nein! Auf gar keinen Fall!
Finger weg!
Alternativen?
Die Zwillingsbrüder:
Der Sharpstar 61, der TS 61 oder der Omegon 61.
Oder der große Bruder:
Der Omegon Triplet APO 76/342 f4.5 – Mehr Brennweite, mehr Öffnung und eine tolle Abbildungsleistung für’s (fast) gleiche Geld.
Oder der baugleiche TS 76/342 EDPH bzw. der Sharpstar 76.
Alle kommen, genau wie der Raptor, aus derselben Fabrik, vom selben Hersteller.
Also:
A) 1350.- für den 274 mm / f4.5 / 61 mm Öffnung Radian Raptor?
B) Oder 750.- bis 800.- für baugleiche mit ebenfalls 274 mm / f4.5 / 61 mm Öffnung?
C) Oder 1200.- für den Omegon 342 mm / f4.5 mit 76 mm also viel mehr Öffnung? Oder auch den baugleichen TS?
D) Ganz was anderes?
Du hast die Wahl. Aber zum Raptor kann ich Dir wirklich nicht raten.
Freundliches Schlusswort
So, liebe Leserin, lieber Leser, Freunde der Nacht. Da wären wir nun am Ende angekommen.
Ich hoffe sehr, dass Du gut unterhalten wurdest, dass Du eine Antwort auf die Frage gefunden hast, die Dich hierher gebracht hat. Oder auch, dass Du geschmunzelt oder ungläubig den Kopf geschüttelt hast, in Anbetracht dieser dreisten Kampagne, die da rund um den Raptor 61 von Trevor/Astrobackyard und OPT gefahren wird.
Selbstverständlich möchte ich Dich nun nochmals auf die anderen Artikel verweisen:
Hier ist die Vorstellung des sehr ähnlichen (aber nicht gleichen) Omegon O61.
Und hier der direkte Vergleich, das Shoot-out zwischen R61 und O61.
Auch möchte ich Dich gerne einladen, hier noch ein wenig auf der Seite zu stöbern. Oben im Menü oder über die Sitemap findest Du eine Menge Hintergrundartikel zu allen möglichen Themen. Beispielsweise Beschreibungen von Sternbildern und den Deep-Sky-Objekten in ihren Feldern. Oder auch Interviews mit anderen Astrofotografen, reich bebilderte Berichte über Fotonächte, Selbstbauprojekte wie meinen Akkutank oder meinen Mini-Steuercomputer und vieles mehr. Auch einige weitere Tests zu Equipment, aber das ist nicht das Hauptaugenmerk meiner Seite.
Falls Du etwas ungewöhnlicheres lesen möchtest, so schlage ich einfach mal den Artikel über das Sternbild Eidechse vor. Das kennst Du, wie auch den fantastischen Echsen-Nebel, wahrscheinlich noch nicht.
Zuletzt erscheint mir, gerade nach so einem technischen Equipment-Artikel, wichtig, das folgende nochmal hervorzuheben:
Astrofotografie soll Freude bereiten! Und die hängt nicht so sehr vom genutzten Teleskop ab.
Wie ich schon oft erwähnt und aufgezeigt habe, entsteht die Freude in uns selber. Man muss es einfach genießen können, nachts unter einem dunklen Sternenhimmel zu stehen und dieses Hobby in vollen Zügen auszukosten. Und dann lassen sich auch mit einem kleinen Astrotracker und einem normalen 50 mm Objektiv tolle Bilder erstellen und Erinnerungen an fantastische Nächte erzeugen.
Der Versuch, sich bessere Bilder und Zufriedenheit zu erkaufen, ist zum Scheitern verurteilt. Wenn man weiß, warum und wofür man ein neues Teleskop nutzen möchte, so kann das natürlich sehr bereichernd sein: Eine bessere Auflösung, eine tolle Abbildungsleistung, ein tieferer Blick ins All… Es gibt viele Gründe für eine gezielte Neuanschaffung.
Aber der blinde Glaube, dass die guten Bilder und die Freude sich einfach so erzeugen lassen, indem man das superneue gehypte Über-Teleskop kauft, muss fast zu einer Enttäuschung führen.
Astrofotografie ist vor allem auch Geduld und Übung. Das ist ein Teil des Hobbys, das kein verbissenes Wettrennen um das beste Foto werden sollte.
Das Glück, das einer Nacht unter dem sternenreichen Firmament innewohnt, kann man nicht kaufen.
Zuletzt möchte ich Dich in genau diesem Sinne und augenzwinkernd mit einem Zitat von Trevor entlassen: “Astrophotography is too important to sell”.
Viel Freude draußen in der Nacht wünsche ich Dir!
Vielen Dank für Deine Bemühungen. Sehr gut recherchiert und glaubhaft dokumentiert. Nun muss Du aber auch damit rechnen, das Dich jetzt alle fragen, welches Teleskop sie kaufen sollen.
Aber das macht Dir bestimmt nichts und ist auch gut so.
LG Helmut
Danke Helmut für den freundlichen Kommentar. 🙂
Wer für sich welches Teleskop kauft, dass muss jeder für sich selber entscheiden.
Und zwar nach einer reiflichen Abwägung, welches Teleskop am besten zu den eigenen Wünschen und Fotozielen passt.
“Kauf Dich glücklich” kann nur dann funktionieren, wenn man sich überlegt, was genau die Bereicherung beim Neukauf wäre.
Zum Glück muss ich nichts verkaufen, sondern kann Artikel schreiben wie ich will. 🙂