Herzlich willkommen beim zweiten Abschnitt auf dem Weg zum NGC, dem New General Katalog.
Und somit: Herzlich willkommen bei Teil 3b meiner Reihe zum Thema “Ordnung im Objektgewimmel”

Doch bevor wir starten, müssen wir kurz rekapitulieren:

Die ersten beiden Artikel beschäftigten sich mit den Anfängen der astronomischen Katalogisierung; Vornehmlich mit Charles Messier und all dem was vor ihm war.
Hier im dritten Teil geht es dann so richtig zur Sache. Weil das der umfangreichste Abschnitt aller “Astrokatalog-Artikel” ist, musste ich ihn zweiteilen.

Du befindest Dich daher aktuell bei Teil b.


Falls Du es chronologisch magst, so möchte ich empfehlen, dass Du mit dem ersten Artikel beginnst, zumindest aber zuerst Teil a liest.

Zeitliche Einordnung

Wir befinden uns im Jahr 1864. John Herschel hatte – damit endete Abschnitt a – mit dem CG gerade den ersten umfassenden Generalkatalog (fast) aller Deep-Sky-Objekte (bzw. damals Nebulae und Sternhaufen) vorgelegt.

1864: Fast genau 100 Jahre nachdem Charles Messier 1771 die erste Liste dieser neuen Himmelsobjekte publiziert hatte und auch fast genau 150 Jahre vor heute.

Die 100 Jahre seit dem Messier-Katalog waren von großen Umwälzungen geprägt: In Frankreich entstand die erste Republik in Europa und die USA erklärten sich 1776 für unabhängig. Die Wissenschaft machte große Fortschritte auf dem Weg “die wahre Natur der Dinge” zu ergründen und Forscher waren in allen möglichen Fachgebieten und rund um den Globus aktiv, um neue Erkenntnisse zu erlangen.
Die ganze Welt schien (aus dem europäischen Blickwinkel) “erobert” und moderne Techniken wie die Telegrafie ließen Zeiträume und Entfernungen immer weiter schrumpfen.
Die Fotografie wurde erfunden, weltweite Temperaturmessungen begannen, die Industrialisierung setzte ein und in Amerika tobte zeitgleich zur Veröffentlichung von John Herschels CG der Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 (Der wiederum einen Einfluss auf das Leben des im nächsten Teil vorgestellten “ersten Astrophotografen” Edward Emmerson Barnard hatte).

Kurz:
Wir haben einen Zeitraum von rund 100 Jahren betrachtet, der von enormen Veränderungen geprägt war. Einen Zeitraum, in dem sich die Geschichte, aber auch der Fortschritt immer schneller zu bewegen schienen und die Welt von Neuentdeckungen in allen denkbaren Bereichen geprägt war.

Und genau hier, im Jahr 1864 starten wir nun mit Teil b, dem zweiten und finalen Abschnitt auf dem Weg zum NGC.
(Dabei schließt dieser Artikel nahtlos an Teil a an.)

Nach dem CG ist vor dem NGC – 1864 bis 1888

Die nun folgenden 24 Jahre (der Zeitraum von der Veröffentlichung des CG 1864 bis zur Veröffentlichung des NGC 1888) muss ich hier sehr stiefmütterlich behandeln.
Es sind zwar nur 24 Jahre und in Anbetracht der bisherigen Zeitskala scheinbar eine sehr kurze Zeitspanne. Doch es waren Jahre, in denen die visuelle Astronomie, aber auch die theoretische enorm aktiv war.

Es wurden tausende neue Himmelsobjekte beobachtet, Listen und Kataloge erstellt und die astronomische Gemeinde war durchdrungen von einem regen Austausch quer durch Europa und bis in die USA.
Herschels CG war in dieser Zeit das Standardwerk, ein wahrer Generalkatalog, der mehrfach rezitiert, aber auch verbessert und ergänzt wurde. Entdeckte Fehler wurden beschrieben und neue Objekte angefügt.

Es tut mir an dieser Stelle fast schon leid, all den ambitionierten, leidenschaftlichen und erfolgreichen Astronomen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts keinen Raum einräumen zu können.
Und genauso schade finde ich es, nicht all die Orte, Sternwarten, Teleskope und neuen, teils kontrovers diskutierten Erkenntnisse über astronomische Zusammenhänge beschreiben zu können. All das würde gewiss ein Gefühl für diese ausgesprochen rege, spannende Zeit erzeugen und vor allem die vom gegenseitigen Austausch der Astronomen geprägte Epoche der Astronomie lebendiger werden lassen.

Als Überleitung zur Entstehung des NGCs muss ich jedoch klar herausstellen, dass diese nur 24 Jahre (oder auch 55 Jahre, wenn man den Zeitraum seit Herschels erstem Slough-Katalog betrachtet) ungemein ergiebig waren.

Eine kleine Episode soll die Geschichte des NGC einleiten und damit bereits auf den dritten Abschnitt dieses Artikels verweisen:

Vernetzung ohne Netz

Wenige Jahre nach dem Erscheinen von Herschels CG, beabsichtigte ein junger dänischer Astronom namens Johan Dreyer eine erste umfassende Ergänzung zu veröffentlichen. Er hatte einige Fehler im CG entdeckt und darüber hinaus weitere, neue Nebulae gefunden.
(Darauf kommen wir gleich noch zu sprechen. Ich greife es aber aus einem anderen Grund schon hier heraus:)

Interessant ist hierbei, wie eng die astronomische Gemeinschaft zusammenarbeitete. Es war, auch wenn in diesem Artikel hier und da der Anschein entstehen mag, kein harter Konkurrenz-Wettbewerb um das Auffinden neuer Nebel.
Als Dreyer beabsichtigte, seine Ergänzung zu publizieren, wurde ihm bewusst, dass es sicherlich viele weitere, bereits beobachtete Objekte geben müsse, von denen er nichts wusste. Also startete er einen Aufruf in den damals weit verbreiteten astronomischen Journalen, mit der Bitte, ihm solche Beobachtungen mitzuteilen. Innerhalb kurzer Zeit erreichten ihn Briefe aus ganz Europa und Amerika.

Das verdeutlicht, wie vernetzt die astronomische Gemeinde bereits damals war.
Vernetzung, rasche gegenseitige Hilfe, ein reger Austausch… all das mag mit technischen Erneuerungen (Telegrafen, Telefon, Telefax und heute dem Internet) einfacher geworden sein; neu ist das alles jedoch nicht.
Neu ist allenfalls die Geschwindigkeit:
Eine rasch getippte Email mit copy&paste steht doch in einem deutlichen Kontrast zu Briefen. Briefe, die ohne eine Entfernen-Taste geschrieben werden mussten, die viele Tage unterwegs waren und die man mit Bedacht schreiben musste. Eine Kommunikation, die zwar langsamer, aber im positiven, wortwörtlichen Sinne auch bedächtiger, durchdachter sein musste.

Mit dieser Ergänzung zu Herschels CG, CGS genannt, erscheint (der praktizierende Astronom) Johan Dreyer erstmals als Publizist von Nebel-Listen und auch erstmals in diesem Artikel.
Und mit ihm, dem Erschaffer des NGCs, springen wir nun in den dritten Abschnitt und somit zur Entstehungsgeschichte seines neuen Generalkatalogs, des New General Catalogue
.

NGC – New General Cataloge of Nebulae and Clusters of Stars

Mit dem dänischen Astronom Johan Ludvig Emil Dreyer (1852-1926) schließen wir nun also unseren Weg zum NGC ab.
(Hier möchte ich kurz darauf hinweisen, dass Dreyers Lebenszeit sich fast 1:1 mit der des im nächsten Artikel vorgestellten Edward Emmerson Barnard deckt. Er lebte von 1857 bis 1923.)

Genau wie die beiden Abschnitte zu William und John Herschel, müsste ich diesen dritten Abschnitt mit ähnlichen Worten beginnen wie die ersten beiden, denn auch Dreyer war ein Mann mit einem vielfältigen astronomischen Werdegang. Und erneut werde ich vieles nur anreißen können.

Ersteller:Johan Ludvig Emil Dreyer (engl: "John Louis")
Entstehungszeitraum:(1878 bis) 1888
Veröffentlichung:1888 (NGC)
1895 (IC-I)
1908 (IC-II)
Diverse Korrekturen und Überarbeitungen (bis heute)
Objekttypen:Überwiegend Galaxien, aber auch Sternhaufen und Nebelgebiete
Anzahl Einträge:NGC: 7800 (Original von 1888)
IC-I: 1520
IC-II: 3866
Summe: 13.186
aktuellste Revision des NGC inkl. IC-I+II: 13.957

Dreyer als “ordnende Hand”

In manchen Zügen ähnelt der Werdegang Dreyers und die Erstellung des NGC dem John Herschels hin zur Erstellung seines CG.
Auch Dreyer war zunächst praktizierender Astronom, bevor er sich als “ordnender Geist” den bisher bekannten “Nebulae” und seinem großen Werk, dem NGC zuwandte.


Der New General Catalogue ist daher, wie auch Herschels General Catalogue, vor allem eine Fleißarbeit, die dem im ersten Teil angesprochenen Ziel diente, “Ordnung in das Objektgewimmel” zu bringen.
Ähnlich wie John Herschel bei der Erstellung des CG, war Johan Dreyer bei der Erstellung des NGC in erster Linie ein “Schreibtischarbeiter” und weniger ein aktiv suchender visueller Beobachter, wobei man ihm keinesfalls mangelnde Beobachtungspraxis unterstellen darf.

Doch bevor wir mit der Arbeit am NGC beginnen, werfen wir zunächst einen knappen Blick auf Dreyers Leben als praktizierender Astronom.

Dreyer als aktiver Astronom

  • Bereits als Jugendlicher interessierte sich Dreyer für Astronomie und begann 1869, als 17-jähriger, ein Mathematik- und Astronomiestudium in seiner Heimatstadt Kopenhagen.
  • Nach Beendigung desselben wurde er Astronom im irischen Birr. Dies war für den 22-jährigen Dreyer die erste Station mehrerer Observatorien, an denen er im Laufe seines Lebens tätig war. Bereits hier beobachtete er nicht nur Nebelgebiete, sondern fing an, sie zu katalogisieren. In Birr standen ihm zwei Teleskope zu Verfügung, die er ausführlich nutzte und dabei auch auch einige neue Objekte entdeckte.
  • 1878, mit 26 Jahren, veröffentlichte er eine Ergänzung (Supplement) zu Herschels General Katalog GC, genannt GCS. (Siehe unten)
  • 1878 begann er eine Tätigkeit am Trinity Observatory der Universität Dublin.
  • 1882 erhielt er, nun 30 Jahre alt, die Stelle des Direktors am Armagh Observatory.
    In Armagh wirkte er über 25 Jahre lang.
  • Seine letzten 10 Lebensjahre verbrachte er in Oxford.

Wie aus dieser knappen Übersicht hervorgeht, war Dreyer von Anfang an sowohl praktizierender Beobachter als auch theoretischer Wissenschaftler und Autor. Er veröffentlichte zu verschiedenen astronomischen Themen, die sowohl aktuelle Erkenntnisse und Beobachtungen betrafen, als auch Werke zur Astronomie-Geschichte, die eine seiner Leidenschaften war.
Viele seiner Veröffentlichungen wären es wert, genauer betrachtet zu werden, doch hier soll es um den NGC gehen bzw. den Weg dort hin.

Das Supplement-I zu Herschels General Catalogue: CGS

Das erste herausragende Werk bzw. das, das für Johan Dreyer wegweisend war, ist sicherlich der erste Anhang zu Herschels CG, das Supplement-I, der CGS.
1878 listete der damals 26-jährige 1149 neue Objekte und korrigierte diverse Fehler des CG.
Auch hier stellten die 1012 Galaxien erneut die größte Gruppe; 88% der Einträge. Daneben fanden sich 7 Emissions- und 6 Reflexionsnebel, 6 planetarische Nebel und 4 offene Sternhaufen. Allerdings auch knapp 90 Einträge, die auf Sterne oder zufällige Sterngruppen verweisen.

Lassen wir Dreyer zu Wort kommen, denn dieser erklärt Sinn und Zweck seines Supplements auf den Punkt:

Aus dem Vorwort des CGS:

Es ist nun etwa dreizehn Jahre her, seit Sir John Herschel seinen “General Catalogue of Nebulae” […] für 1864 veröffentlichte. Der weitaus größte Teil dieses Werkes basierte auf den Beobachtungen, die von ihm und seinem Vater gemacht wurden, die für so viele Jahre die einzigen Forscher in diesem Zweig der Astronomie waren.
Aber schon vor der Veröffentlichung dieses “Gesamtkatalogs” waren die Nebel zu Objekten allgemeinerer Aufmerksamkeit geworden. Früher waren es nur die Besitzer großer Spiegelteleskope, die ihre optischen Gerätschaften für ausreichend hielten, aber nachdem D’Arrest gezeigt hatte, wie gut sich auch kleine Refraktoren für die Bestimmung der Positionen der helleren Nebel eigneten, richteten weitere Astronomen ihre Aufmerksamkeit in diese Richtung. […]
Obwohl auch neuere Beobachtungen nicht frei von Fehlern sind, finden sich in ihnen nicht die großen Fehler, die bei John Herschel auftreten und über die sich niemand wundert, wenn er die Konstruktion von Herschels Instrument berücksichtigt. […]
Es gibt daher viele Fälle, in denen der “General Catalogue”, obwohl er das Ergebnis der Bemühungen hervorragender Beobachter darstellt und in wunderbar sorgfältiger Weise zusammengestellt wurde, nicht mit dem Himmel übereinstimmt. […]
Hinzu kommt, dass seit Erscheinen des “General Catalogue” eine beträchtliche Anzahl neuer Nebel entdeckt wurde.
Daher bedarf dieses hervorragende Werk sowohl hinsichtlich Vollständigkeit als auch Genauigkeit einer Ergänzung.

Die Notwendigkeit, eine solche Ergänzung für meinen eigenen Gebrauch zu erstellen, wurde mir rasch klar, als ich 1874 anfing, am Observatorium des Earl of Rosse [Birr] zu arbeiten. Ich erinnerte mich an eine Bemerkung von Sir John Herschel, dass die Zeit, die mit der Erstellung umfangreicher Arbeitslisten verbracht wird, gut angelegt ist und stellte eine solche Liste aller Objekte zusammen.

Das Studium [mir zugänglicher Nebel-Listen] verbunden mit der persönlichen Beobachtung der Objekte, […], hat mich nach und nach dazu veranlasst, eine Reihe von Anmerkungen und Korrekturen zum „General Catalog“ zu sammeln, die auch für andere Astronomen von Nutzen sein könnten.
Hauptsächlich der Umstand, dass mittlerweile mehrere mit erstklassigen Instrumenten ausgestattete Observatorien das Studium der Nebel aufgenommen haben, hat mich schließlich dazu bewogen, nun diese Liste der Korrekturen zusammen mit einem Katalog aller neuen Nebel zu veröffentlichen (mehr als 1100), die gefunden wurden, seit Herschels Werk erschienen ist.

(Eigene, freie und leicht eingekürzte Übersetzung)


Deckblatt des CGS
Hier kann das digitalisierte Original angesehen werden.

Das CGS wurde von der Astronomie-Gemeinde sehr positiv aufgenommen. sodass sich Dreyer bereits in jungen Jahren einen Namen machte. Es war, ohne dass er es wissen konnte, der Grundstein für den NGC, den wir noch heute nutzen.

Doch Arbeiten an Katalogen waren längst nicht das einzige große Thema seiner Veröffentlichungen:
Der Artikel, den Du gerade liest, befasst sich im weitesten Sinne mit Astronomie-Geschichte. Und diese war eines der Steckenpferde Dreyers.
Er befasste sich tiefgehend mit dem Lebenswerk Tycho Brahes’, dem er mehrere Bände widmete und veröffentlichte; u.a. das vielbeachtete Werk A History of Astronomy from Thales to Kepler, das noch heute mehr als einen Blick wert ist.

Der Weg zum NGC

Bereits 20 Jahre nach Herschels Generalkatalog – schon wieder ein neuer Generalkatalog?

Wie erwähnt folgten die veröffentlichten und vorhandenen Listen, Kataloge und Einzelbeobachtungen über viele Jahre hinweg keinem einheitlichen Schema. Weder in der Benennung noch der Beschreibung und vor allem nicht hinsichtlich der Positionsangabe. Dies führte unweigerlich zu unerkannten Überschneidungen, also Mehrfachlistungen und zu Fehlern jeder Art.
Das war John Herschel bewusst und auch ein wichtiger Grund für die Erstellung des General-Katalogs (1864) gewesen.
Herschels Slough-Katalog umfasste 2306 Einträge, der Cape-Katalog 1708.
Der General-Katalog listete 5079 Objekte und ergänzte Herschels eigenständig beobachteten Objekte somit um über 1000 weitere Einträge, also Beobachtungen anderer Astronomen.

Das Dilemma mit uneinheitlich beschriebenen und positionierten Neu- und Doppelentdeckungen setzte sich aber auch nach der Veröffentlichung des GC im Jahr 1864 unvermindert, ja sogar noch rascher fort: Bald war der GC erneut ein unvollständiges Werk und Astronomen hatten es zusätzlich wieder mit diversen “Zettelsammlungen” zu tun, die alles andere als einheitlich waren.

Beispielsweise die “Liste neuer Nebel” von Auwers (Königsberg) mit 50 Einträgen oder die Liste nebliger Sterne von d’Arrest (Kopenhagen) mit knapp 2000 Einträgen. Hinzu kamen über 1000 in Birr entdeckte bzw. beobachtete und beschriebene Objekte.
(Und das ist nur ein kleiner Ausschnitt all der Entdeckungen umtriebiger Astronomen. Das Vorwort des NGC listet unzählige als Quellen.)

In den 20 Jahren nach dem Erscheinen des CG wurden Beobachtungen und Beschreibungen hunderter, sogar tausender (teils vermeintlich) neuer Nebulae und Sternhaufen veröffentlicht.
Tatsächlich hatte sich die Anzahl der scheinbar bekannten Objekte (inkl. all den Fehlern) fast verdoppelt.


Das angesprochene Supplement-I , das Dreyer nur 13 Jahre nach dem Erscheinen des GC, als Anhang veröffentlicht hatte, war der Versuch gewesen, den bereits jetzt unvollständigen GC zu ergänzen und erkannte Fehler zu bereinigen.
1886, nur 8 Jahre später, waren erneut so viele Objekte verzeichnet und Fehler erkannt worden, dass er wiederum die Notwendigkeit einer weiteren Ergänzung, einem Supplemtent-II sah.




Übrigens:
Neben den Neuentdeckungen (oder vermeintlichen Neuentdeckungen) wurden selbstverständlich auch astronomisch-theoretische Gegebenheiten erforscht und entdeckt, beschrieben und diskutiert; der Zweck der Objektsuche war weiterhin der Erkenntnisgewinn über Abläufe und Zusammenhänge im All. Es war eine rege Zeit und der wissenschaftliche Austausch erfolgte über alle Länder und Sprachgrenzen hinweg.

Diese teils bahnbrechenden und oft hitzig diskutierten Theorien über astronomische Vermutungen oder Tatsachen sind hier allerdings nicht das Thema. Dennoch muss das kurz angemerkt werden, sodass bei Dir als Leser nicht der Eindruck entsteht, die damalige Zeit wäre ein reiner Wettlauf um das Auffinden von Objekten als Wettbewerb gewesen.

Eigentlich war die Objektsuche und Beschreibung nur Mittel zum Zweck. Die gesamte visuelle Astronomie wollte vor allem die Beschaffenheit der Natur ergründen; typisch für die damalige Stimmung in der gesamten Wissenschaft: Biologie, Chemie, Physik, Geologie, Medizin… In allen Bereichen wurde geforscht, theoretisiert und versucht, der Natur der Dinge auf den Grund zu gehen.
Eines der Mittel war die Empirie und somit das Sammeln und Vergleichen möglichst vieler Daten, um daraus wiederkehrende Muster, Regeln und somit Erkenntnisgewinn abzuleiten.

Der CGS-II und Dreyers Zusammenstellung des neuen General-Katalogs

Die Erstellung einen gänzlich neuen General-Katalogs war ursprünglich nie das Ziel Dreyers gewesen. Vielmehr wollte er nur einen zweiten Anhang mit neuen Objekten und Hinweisen zu in der Zwischenzeit bekannt gewordenen Fehlern veröffentlichen. Das Schema und die Ordnungsstruktur Herschels CGs waren gut und Dreyer gedachte nicht, daran etwas zu verändern.

Sein 1886 bei der Royal Astronomical Society eingereichtes Manuskript zum “Supplement-II” wurde jedoch überraschenderweise abgelehnt. Dreyer wurde nahegelegt und empfohlen, stattdessen doch einen komplett aktualisierten und umfassenden neuen Gesamt- oder Generalkatalog zu erschaffen, einen “New General Katalog”, den heutigen NGC.

Aus dem Vorwort des NGC:

“Im Dezember 1886 reichte ich beim Rat der Royal Astronomical Society einen zweiten Ergänzungskatalog ein, der genauso aufgebaut war wie der erste. Aber in Anbetracht des Umstandes, dass Herschels Werk praktisch vergriffen ist und die gleichzeitige Verwendung von drei Katalogen und zwei umfangreichen Korrekturverzeichnissen sehr unpraktisch wäre, schlug mir der Rat vor, die drei Kataloge zu einem neuen Gesamtkatalog zusammenzufassen.”

Seine Aufgabe lag nun darin, alle bisher bekannten Deep-Sky-Objekte in einer einheitlichen Liste, einem gemeinsamen neuen General-Katalog zusammen zu stellen. Einen Katalog, der (denn das war bereits abzusehen) nur vorübergehend annähernd vollständig war, der aber immerhin beinahe alle Objekte in einem einzigen und vor allem einheitlichen Werk gruppierte.
Keine für Dreyer unlösbare Herausforderung, da der CG gemeinsam mit seinem Supplement-I und dem Manuskript für das Supplement-II bereits die Basis darstellte. Aber dennoch eine umfangreiche Aufgabe.

Nun wurde also der CG nicht einfach nur ergänzt und erweitert, sondern grundlegend überarbeitet und dem neuesten Stand der Forschung entsprechend aktualisiert.
Den Astronomen sollte danach (mal wieder 😉 ) ein umfassender neuer Generalkatalog zur Verfügung stehen. Erneut mit dem Ziel: Einheitliche Objektpositionen, eine durchgängige Nummerierung und eine Umrechnung älterer Angaben auf die aktuelle astronomische Epoche.

Man muss sich Dreyers Arbeit einmal vorstellen:
Der NGC umfasste am Ende 7800 Objekte. Doch bis es soweit war, musste Dreyer mit Sicherheit einige hundert Fehler (Doppelsichtungen etc.) erkennen und bereinigen.
Er hatte die Aufgabe, eine geordnete Liste (sprich Tabelle) zu erstellen, in der für jedes Objekt nicht nur die Position korrekt abgegeben sollte: Neben den Nummern der beiden Herschels, verzeichnete Dreyer zu jedem Objekt morphologische Beschreibungen, nannte die Beobachter und verwies teils auf Widersprüche. Letztendlich umfasst jedes der gelisteten Objekte 10 Spalten (bei ~7800 Zeilen in der Tabelle).

Und das selbstverständlich ohne Excel! Es war eine (anfangs, vor der Drucklegung) handgeschriebene Tabelle!

In meiner Phantasie sehe ich da einen Mann an einem riesigen Schreibtisch, umgeben von Büchern, astronomischen Journalen, Briefen und Zettelstapeln, der versucht, in all diesen Listen den Überblick zu bewahren. Der notwendige Abgleich aller Listen für praktisch jedes Objekt hinsichtlich Position und Doppelung ist allein schon eine Mammutaufgabe.
Aber all das in eine handgeschriebene Liste einzutragen: Heute kaum vorstellbar.
Dreyer konnte nicht (wie wir mit einem Tabellenprogramm) einfach auf einen Knopf drücken: “Füge eine neue Zeile/Spalte ein”. Wollte er Objekte umgruppieren oder zwischen zwei Zeilen ein Objekt einfügen, so musste er dafür irgendwie den Platz schaffen.

Es nötigt mir großen Respekt ab, dass er in all dem nicht den Überblick verlor, die Arbeit in relativ kurzer Zeit erledigte und sein NGC nach heutigem Wissensstand zu über 97% fehlerfrei ist.
Das gilt auch, wenn man bedenkt, dass ungefähr die Hälfte der Objekte bereits in Herschels ebenfalls relativ fehlerarmen CG gelistet waren.

Die Entstehung der heutigen NGC-Nummerierung

Dreyers Idee war es, nicht die heute gebräuchlichen NGC-Nummerierung einzuführen. Er nummerierte seinen Katalog zwar durch, nutzte aber weiterhin auch die H-Nummern des CG. Das Werk des großen John Herschel war für ihn weiterhin die Referenz.
Dies zeigt sich u.a. auch im vollständigen Titel des NGC:
“A new general catalogue of nebulae and clusters of stars, being the catalogue of the late Sir John F.W. Herschel”

Aus dem Vorwort des NGC:

“Die erste Spalte enthält die aktuellen Nummern des vorliegenden Katalogs. Mit großem Bedauern fand ich es notwendig, neue Nummern einzuführen, und es ist sehr zu hoffen, dass diese so wenig wie möglich zitiert werden, sondern dass alte Nebel wie bisher hauptsächlich durch ihre H-Nummer bezeichnet werden.”

Doch bereits kurz nach der Veröffentlichung des NGC war sich die Fachwelt einig: Von nun an sollten alle knapp 8000 Einträge nur noch mit der (neuen) Nummerierung Dreyers zu bezeichnen sein.

Seitdem (also seit rund 130 Jahren) sind die NGC-Nummern in Gebrauch und (als ein bekanntes Beispiel) das 7000ste Objekt des Katalogs, der Nordamerikanebel, eben NGC 7000 und nicht mehr H 5.2096.
Einzig die rund 100 Objekte des Messier-Katalogs werden bis heute mit ihrer M-Nummer angegeben, sodass der große Orionnebel weiterhin als M42 und nicht als NGC 1976 bezeichnet wird. Hier hat die Tradition gegenüber der Einheitlichkeit gewonnen.

(Wie sich in den folgenden Abschnitten und weiteren Artikeln zeigen wird, ist der NGC selbstverständlich unvollständig und daher längst nicht für alle, auch viele heute recht berühmte Nebelgebiete, eine NGC-Nummer vorhanden.)

Erneut eine Aufnahme von H 5.2096. Seit 1888 jedoch NGC 7000.
Canon 6Da – Samyang 135 mm – Omegon Minitrack LX3 – 66*45 Sek. = 49 min – Mai 2020

IC – Index-Katalog

Dass der NGC, trotz aller Bemühungen, unvollständig sein würde, musste Dreyer schon vor der Erstveröffentlichung bewusst gewesen sein:
Die Himmelsbeobachtung war nach wie vor ein dynamischer Prozess und längst nicht alle Objekte, die mit den damaligen Teleskopen visuell sichtbar waren, waren zum Redaktionsschluss des NGC im Jahr 1887 gefunden worden (jedoch wohl ein Großteil, andernfalls hätte sich Dreyers Arbeit kaum gelohnt).

Dass die Fotografie wenige Jahre später erneut eine gewaltige Anzahl neuer Objekte aufzeigen würde, war wohl noch nicht eindeutig abzusehen, aber möglicherweise schon zu erahnen.
So wurden bereits zwischen der Vollendung des NGC und dem Erscheinen der gedruckten Ausgabe diverse neu gefundene Objekte publiziert; ein Trend, der auch nach 1888 anhielt und letztendlich zum ersten Anhang, der ersten Ergänzung des NGC führte: Dem Index-Katalog im Jahr 1895, 7 Jahre nach der Erstveröffentlichung des NGC. Hier wurden 1520 neue Objekte gelistet.
Weitere 13 Jahre später erschien mit dem Index-Katalog-II eine zweite Ergänzung des NGC; dieses Mal mit 3866 Neueintragungen.

Der bzw. die beiden Index-Kataloge (IC) werden meist in einem Atemzug mit dem NGC genannt. Dennoch waren sie nicht dasselbe oder einfach ein spezieller Teil des NGC. Vielmehr sind sie Ergänzungen und mit über 5000 Objekten ebenfalls sehr umfangreich. Sie erfüllen dabei zwei Aufgaben:
Einige erkannte Fehler des NGC zu beheben und zusätzlich die neu entdeckten Objekte zu listen. Dabei enthalten die Index-Kataloge (vor allem der IC-II von 1908), im Gegensatz zum ursprünglichen NGC, eine große Anzahl überwiegend fotografisch entdeckter Objekte. Der Einzug der Fotografie ist mit der Hauptgrund für diese enorme Zunahme an Objekten innerhalb weniger Jahre.


Man erinnere sich, dass die 103 Objekte Charles Messiers über einen Zeitraum von 23 Jahren gelistet wurden, die knapp 2500 von William bzw., die etwa 2000 Neuentdeckungen von John Herschel ebenfalls viele Jahre beanspruchten. Zwischen dem IC-I und dem IC-II vergingen hingegen nur 13 Jahre, die beinahe 4000 Objekte erbrachten; größtenteils fotografisch entdeckt.



Mit den IC-Katalogen verlassen wir ab hier langsam auch die klassische visuelle Astronomie. Denn auch mit dem IC-Katalog begann die Katalogerstellung unter Zuhilfenahme von fotografischen Aufnahmen.
Während der IC-I noch einen Großteil visuell entdeckter Objekte enthält, steht der IC-II schon deutlich unter dem Einfluss der modernen Technik.
Aufgrund der längeren Belichtungszeit (verglichen mit der “Belichtungszeit” unserer Augen) war es möglich, ganz neue Objekte zu entdecken: Sowohl schwächere als auch (dank Edward Barnards Widefield-Astrofotografie) großflächigere, die zuvor in stark vergrößernden Teleskopen nicht aufgefallen waren.



(Auf die Anfänge der Astrofotografie wird im nächsten Teil der Serie “Ordnung im Objektgewimmel” genauer eingegangen.)

Objekte des NGC/IC

Wenn man sich die Objekte des NGC anschaut, so kann man allerlei Statistiken erstellen oder Ordnungssysteme erdenken: Die ‘fleißigsten Entdecker’, die erfolgreichsten Entdeckungsjahre, die mittlere scheinbare Größe oder Helligkeit der Objekte. 7800 Listungen (bzw. über 14.000 inkl. den beiden ICs) bieten eine enorme Datenfülle für Statistiker.
Viele sind interessant und sagen einiges über den NGC und seine Entstehung aus.
Herausgreifen möchte ich aber nur einen Wert: Die Art der Objekte.
[Die folgenden Zahlenangaben beziehen sich auf die aktuellste Version des NGC/IC, nicht auf die ursprüngliche Veröffentlichung. Tendenziell gelten sie jedoch auch dafür].

Mit etwa 76% stellen Galaxien eindeutig die größte Objektgruppe dar. (Von den ~7800 Objekten des NGC sind über 6000 Galaxien.)
Offene Sternhaufen und Kugelsternhaufen folgen mit rund 5%.
Neblige Gebilde hingegen bringen es auf nicht einmal 3%; tatsächlich verweisen mehr Einträge auf Sterne denn auf Nebelgebiete.
Etwa 2% der knapp 14.000 Einträge muss heute als nicht auffindbar betrachtet werden.

Unter den fast genau 14.000 Einträgen vom NGC/IC gibt es gerade einmal 130 planetarische Nebel und 235 weitere Nebel (vornehmlich Reflexions- und Emissionsnebel sowie Supernova-Überreste).
Das sagt einerseits etwas über die Verteilung der Objekttypen aus, aber viel mehr über die Möglichkeiten der damaligen Beobachtung bzw. die visuelle Sichtbarkeit der Objekte.

Auf wenige Sätze verkürzt und vereinfacht kann man sagen:

  • Klar umrissene, helle Objekte sind visuell deutlich einfacher zu erkennen: Galaxien und Sternhaufen.
  • Die enormen Brennweiten und Vergrößerungen der damals genutzten Teleskope bevorzugen Galaxien und Sternhaufen.
  • Diffuse Nebelgebiete, vor allem großflächige, sind einerseits grundsätzlich zu leuchtschwach, andererseits ist die Leuchtkraft nicht auf einen vergleichsweise kleinen Bereich konzentriert. Sie entgehen daher dem menschlichen Auge: Es kann das schwache Licht nicht sehen und wenn es doch möglich ist, so verhindert der winzige Himmelsausschnitt die Erkenntnis, dass da ein ausgeprägtes, geradezu riesiges Nebelgebiet vorhanden ist. Daher war (und ist) ein Großteil der diffusen Nebel (von kleinen und/oder sehr hellen abgesehen) visuell nicht oder kaum zu erfassen.

Die Zeit der bei Amateur-Astrofotografen heute so beliebten roten Wasserstoff-, blauen Reflexions- und mehr oder minder farblosen Dunkelnebel begann also erst später. Der Beginn der (Widefield-)Fotografie eröffnete den Blick auf ganz neue Objekttypen (und vor allem -größen). Doch auch das für viele Jahrzehnte zunächst nur schwarzweiß.

Die Zeit nach dem NGC – Das 20. Jahrhundert, die Fotografie und Spezialkataloge

Nach den “Gemischtwaren-Katalogen” von Hodierna, de Lacaille, Messier, Bode, den Herschels und all den hier ungenannten Astronomen und damit letztendlich dem NGC/IC in seinen verschiedenen Auflagen, entstanden diverse Kataloge, die sich einzelnen Objekttypen zuwenden: Galaxien, planetarische Nebel, Sternhaufen, Dunkelnebel, helle Nebelgebiete, darunter auch spezielle H-alpha- und Reflexions-Nebel-Kataloge.

Somit war dieser dritte Teil meiner Serie zu Deep-Sky-Katalogen der letzte, der noch “Gemischtwaren-Kataloge” mit allen Objekttypen bespricht.
Ab der nächsten Folge werden dann Spezialkataloge betrachtet.


So bekannt und wichtig der NGC auch ist:
Sehr viele schöne Nebelgebiete sind in ihm nicht vertreten.
Überhaupt sind von den (inkl. den ICs) über 14.000 gelisteten Objekten keine 300 diffuse Nebelgebiete.
Das bedeutet, dass Freunde dieser unregelmäßig geformten Schönheiten rasch zu anderen Katalogen greifen müssen:
Barnards Katalog der Dunkelnebel mit rund 350 mehr oder weniger ‘schwarzen Flecken’. Van den Berghs Reflexionsnebelkatalog mit knapp 150 Objekten (davon nur 4 im NGC/IC) und im Besonderen der Emissionsnebelkatalog von Steward Sharpless mit gut über 300 Einträgen, von denen sich nur 19 bereits im NGC/IC finden.
(Und all diese beziehen sich nur auf den “Nordhimmel.” Kataloge für den Südhimmel listen nochmals unzählige diffuse Nebelgebiete.)


ENDE TEIL 3: Dreyer und der NGC


Revisionen, Ergänzungen, Verbesserungen des NGC

Betrachtet man Herschels Generalkatalog CG, die in den folgenden 30 Jahren erfolgten Korrekturen, Ergänzungen und Anhänge hin zu Dreyers neuem Generalkatalog NGC und dessen beiden Anhänge, die Index-Kataloge IC, so fragt man sich unweigerlich:

“Und dann?”

Denn mit dem Wissen um die Entdeckung von Nebulae und Clusters of Stars (oder Deep-Sky-Objekten, wie wir heute sagen) und dem Wissen über die Erstellung von “vollständigen” General-Katalogen, deren Verbesserung und die scheinbar fast schon zwangsläufig folgenden neuen “vollständigen” General-Kataloge mit deren Ergänzungen könnte man fast zu einem Schluss kommen:
Das geht immer so weiter. General-Katalog folgt auf General-Katalog. Ergänzung und Verbesserung folgt auf Ergänzung und Verbesserung…

Tatsächlich ist aber genau das nicht der Fall.
Noch heute, fast 140 Jahre nach der Erstveröffentlichung, nutzen wir den nicht mehr ganz so “neuen” General-Katalog von Dreyer, samt seinen beiden Ergänzungen, den Index-Katalogen.

Dabei wurden doch seitdem wieder unzählige neue Objekte entdeckt und vorhandene Fehler des NGC/IC erkannt.

Ja, wo ist er denn nun, der aktuelle NGC?

Über 100 Jahre nach dem NGC – Zeit für einen neuen Generalkatalog?

Dass die ursprünglich 7840 im NGC gelisteten Objekte und erst recht die in den beiden Index-Katalogen verzeichneten 5386 nicht allesamt absolut fehlerfrei sein konnten, verwundert nicht.
Einerseits musste Dreyer mit Listen arbeiten und konnte unmöglich alle Objekte selbst visuell überprüfen.
Andererseits ist der Abgleich unzähliger Papierlisten, die eigentlich nur aus ausgesprochen langweiligen Nummern und (teils ungenauen) Positionsangaben bestehen, schon fast eine Garantie dafür, Fehler zu machen bzw. bereits enthaltene Fehler zu übersehen.

Man darf allerdings nicht daraus schließen, dass der NGC von Anfang an ein grob fehlerbehaftetes Werk war. Im Großen und Ganzen war er eine sehr gewissenhafte Arbeit und für rund 98% der Einträge kann man heute ein exaktes Objekt am Himmel zuordnen.
Dreyer glich seine Quellen ab und versuchte z.B. doppelte Sichtungen zu erkennen. Gar nicht so einfach, da morphologische Beschreibungen sehr ungenau sein können und es Positionsangaben damals ebenfalls oftmals waren.

Die vorhandenen Fehler führten dazu, dass der NGC mehrfach verbessert wurde (oder zumindest Versuche unternommen wurden, ihn zu verbessern).
Erfolgreich war das nicht immer. So wiesen Verbesserungen sogar neue Fehler auf. Und diese neuen Fehler wurden teilweise in weiteren Ausgaben übernommen. Weder der RNGC (1977) noch der NGC 2000.0 (1988), die zwei ambitionierten Überarbeitungen, können daher als gelungen betrachtet werden.

Die aktuell wohl beste Fassung stammt von Dr. Wolfgang Steinicke, der, nach über 20 Jahren intensiver Forschung, davon ausgeht, dass nur knapp 300 Einträge nicht zugeordnet werden können. Trifft das zu, wären 98% als gesichert anzusehen.
Seine (fortlaufende, aber im Prinzip abgeschlossene) Überarbeitung des NGC/IC ist aktuell das Maß aller Dinge: Ausgehend von persönlichem Interesse, einer Doktorarbeit zum NGC und der tiefen Forschung rund um die (wenigen) unklaren Objekte, entstand so der momentan beste NGC. Ein echter revisited NGC oder ein A-NGC, ein Aktueller-NGC. Dieser wird von einigen, aber längst nicht allen Planetarien, Montierungsherstellern und weiteren genutzt.

Aber: Es gibt weiterhin keinen neuen General-Katalog, und erst recht keinen Steinicke-Katalog.

Der NGC.2038 – Ein NNNGC?

Wenn ich in meine Glaskugel blicke, so sehe ich darin irgendwann das Erscheinen eines, dann auch von der IAO anerkannten und gültigen NNNGC: Der niegelnagelneue Generalkatalog, der aber selbstverständlich weiterhin Dreyers Katalog sein wird. Denn der war, wie bereits erwähnt, zu 97 bis 98% korrekt.

Denkbar wäre sowas im Jahre 2038, 150 Jahre nach der Ersterscheinung:
Jubiläumsausgabe: “150 years NGC – the final revisited and corrected NGC.2038”

Kein ein neuer Generalkatalog?!

Ein wirklich allumfassender Generalkatalog aller ‘Nebulae and clusters of stars” ist aus heutiger Sicht undenkbar. Selbstverständlich wäre er technisch machbar; dank der elektronischen Datenverarbeitung sogar deutlich einfacher als jemals zuvor. Doch die schiere Anzahl nicht stellarer Objekte sprengt ebenso jeden Rahmen, wie die Schwierigkeit, einzelne Objekte klar abzugrenzen.

Der Katalog heller Nebel (LBN) von Beverly T. Lynds aus dem Jahre 1965 listet über 1000 helle Objekte (meist Nebel), wobei bereits bekannte Gebilde teils in mehrere kleine “Portionen” geteilt werden. Dieses Beispiel soll verdeutlichen, dass es keine eindeutige Regel geben kann, was genau ein ‘Objekt’ ist und wo seine Grenzen liegen. Je besser die Technik und je feiner die Detailauflösung, desto mehr ‘neue’ Objekte lassen sich beschreiben.
Wo genau will man da die Grenze ziehen?

Neben der unklaren Abgrenzung von Objekten kommt die kaum zu greifende Anzahl:
Wie in einer der späteren Folgen deutlich wird, sind mehrere Millionen Galaxien bekannt.


Diese beiden Punkte mögen (nicht die einzigen) Gründe dafür sein, dass im 20. Jahrhundert nur noch Spezialkataloge erschienen, die einzelne ausgewählte Objekttypen listen.


Der wissenschaftlichen Forschung stehen heute ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung, um die Beschaffenheit des Alls, um Prozesse und Zusammenhänge noch genauer zu ergründen. Der visuelle Abgleich tausender Nebulae und deren Klassifizierung nach morphologischen Kriterien ist heute nicht mehr zielführend.
Ein neuer Generalkatalog erscheint somit für die wissenschaftliche Forschung nicht notwendig.


Und begeisterten Amateurastronomen und -fotografen auf der anderen Seite stehen mit dem NGC und den gängigen Spezialkatalogen ausreichend Listen zur Verfügung. In ihnen sind fast alle Objekte gelistet, die wir mit unserem Equipment sehen und/oder fotografieren können.
Auch hier besteht also kein Bedarf für einen neuen Generalkatalog.

Die spannendsten und für uns Astrofotografen relevanten Spezialkataloge stelle ich in den kommenden Folgen dieser Artikelserie vor.
Für visuelle Beobachter gibt es ebenfalls zwei schöne Listen, die ich hier noch ganz kurz anreißen will:

Visuelle ‘Best-of’ Kataloge

Herschel 400
Da der Herschel-Katalog sehr umfangreich ist, gibt es mit dem Herschel 400 einen “Best-of”-Katalog, zusammengestellt von der amerikanischen Astronomical League und veröffentlicht im Jahr 1980. Darin enthalten ist eine Auswahl der schönsten und hellsten Objekte, darunter 231 Galaxien.
Die Motivation, diese Auswahl zu erstellen, entsprang dem Hinweis, dass der Herschel-Katalog die nächste Herausforderung für visuelle Beobachter sei, die den Messier-Katalog ‘abgearbeitet’ hätten. Da die 2500 Objekte jedoch zu umfangreich seien, erstelle man eine Auswahl. Die Liste der 400 Objekte soll somit Beobachtern eine weitere Liste lohnenswerter Objekte an die Hand geben. (Alle Objekte sind auch im NGC gelistet; 17 bereits im Messier-Katalog.)

Caldwell-Katalog (C)
Der Caldwell-Katalog ist, wie auch der Herschel-400, ein Best-Of-Katalog. Er wurde 1996 von Patrick Moore veröffentlicht.
Er dient, wie der H400, als Ergänzung zum Messier-Katalog und listet 109 besonders helle bzw. große und sehenswerte Objekte auf, die sich nicht im Messier-Katalog finden.

Unter Astrofotografen sind diese Listen nicht sonderlich bekannt, vielleicht auch, weil die Zielgruppe visuelle Beobachter waren. Im Jahr 1980 war die Astrofotografie ein absolutes Nischenhobby und auch 1996 noch nicht in dem Maße verbreitet wie heute.
(Digitale Kameras waren damals noch fast unbezahlbar und kaum verbreitet. Meine erste Digicam kaufte ich im Jahr 2001 für über 600.-DM, wobei das eine billige Kompaktkamera war, deren winziger 2,4 Megapixel-Sensor nicht mal im Ansatz mit dem eines Smartphones von 2015 mithalten konnte. Digitale Spiegelreflexkameras wurden erst ab 2003 mit dem ersten 6MP-Modell von Canon für rund 1000.- für Amateure bezahlbar. Nikon folgte dann 2004 und Sony erst 2009.)

Trotz der ‘visuellen Zielgruppe’ kann es sich lohnen, auch als Astrofotograf mal einen Blick in diese Listen zu werfen.

Fazit und freundliches Schlusswort

Mit dem NGC enden nun gleich zwei Abschnitte der Deep-Sky-Katalogisierung:
Die reine Hand- und Augenarbeit der ‘puren’ visuellen Astronomie, die mühevolle Suche am Nachthimmel, wurde mehr und mehr von der Fotografie unterstützt und letztendlich verdrängt.
Und auch die etwa 100-jährige Geschichte der “Gemischtwaren-Kataloge” ging zu Ende.

Ab nun folgten Spezialkataloge, die sich ausgewählten Objekttypen oder -gruppen zuwandten.

Während Spezialkataloge zu Sternhaufen noch visuell erstellt werden konnten, war das bei jenen zu Dunkelnebeln oder hellen diffusen Nebeln (Ha-Gebiete, Reflexionsnebel u.a.) kaum noch möglich. Hier brachte erst die Fotografie den Durchbruch. Und mit dieser Technik wurden nicht nur neue, zuvor unerkannte Objekte entdeckt, sondern auch wichtige Erkenntnisse zum tieferen Verständnis des Aufbaus unserer Milchstraße und des gesamten Universums erbracht.



So wie John Herschel bei der Erstellung seines CGs und auch Dreyer bei der Erstellung des NGCs, hoffe ich, dass mir keine gravierenden Fehler unterlaufen sind. Ich habe so viele Quellen gelesen, so viel abgeglichen und so viele Jahreszahlen verinnerlicht… und hoffe nun einfach, dass alles richtig ist.
Falls Dir als Leser nun aber doch ein Fehler auffällt, so zögere nicht, mir zu schreiben! Danke!

Wenn Du, liebe Leserin, lieber Leser, bisher Freude an dieser Artikelserie hattest, so möchte ich Dich gerne einladen, mich nun zu den Spezialkatalogen zu begleiten:
Kataloge von geisterhaften Dunkelnebeln, von funkelnden Sternhaufen, von bläulich schimmernden Reflexionsnebeln. Listen planetarischer Nebel und dem Katalog rötlicher Emissionsnebel schlechthin, einer Gruppe, die im NGC kaum vertreten ist.
Geplant sind aktuell mindestens 7 weitere Artikel, die nächsten drei (Barnards Dunkelnebel und die Anfänge der Astrofotografie sowie der Artikel über die beiden wichtigsten Sternhaufen-Kataloge und jener zum Emissionsnebel-Katalog von S. Sharpless) sind bereits fast fertig verfasst. Des Weiteren folgen dann Reflexionsnebel nach Sidney van den Berg, die Kataloge zu hellen und dunklen Staubstrukturen (LBN und LDN) von B. T. Lynds, ein Artikel über planetarische Nebel und einer über Galaxien. Mindestens. 😉

Du siehst also: Viel ist noch in der Pipeline, vieles will noch (fertig) beschrieben werden und viel, sehr viel mehr muss (will) ich noch lesen und gewissenhaft recherchieren.

An dieser Stelle bedanke ich mich nun für Deine Aufmerksamkeit, äußere erneut die Hoffnung, dass es spannend und interessant war und möchte Dich einladen:
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Ich wünsche Dir einen sternenreichen und wolkenarmen Himmel.

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